Kabarett: Selfie - ein Foto von dem Menschen, den man am liebsten hat

Das Publikum ist begeistert von Tausendsassa Kalle Pohl. Im Südbahnhof hat er gesungen und gedichtet.

Kabarett: Selfie - ein Foto von dem Menschen, den man am liebsten hat
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. „Für mich ist das heute ein Test: ich teste ob ihr so reagiert, wie ich mir das wünsche“, erklärt Kalle Pohl zu Beginn des Abends. Nach seiner letzten Nummer wird der 63 Jahre alte Tausendsassa zufrieden lächeln. Zuvor bietet er dem Publikum im intimen Rahmen des Südbahnhofs ganz unterschiedliche Spielarten der humoristischen Kleinkunst: Pohl lässt in urkomischen Zwiegesprächen seine rheinländischen Kunstfiguren auf fragwürdige Phänomene der Internet-Moderne treffen, stimmt mal verträumte und mal bissige Chansons auf dem Akkordeon an und trägt gedichtete Verse vor.

Zwischendurch redet Pohl Klartext. So auch gleich zu Beginn, als er den Begriff „Selfie“ näher beleuchtet. Denn da gebe es auch unter jungen Leuten noch Erklärungsbedarf. Erst kürzlich habe ihn ein junger Mann vor dem Kölner Dom gefragt, ob der Komödiant ein Selfie von ihm schießen könne. „Ist ein Selfie-Foto was anderes als Selbstbefriedigung?“, fragt Pohl in die Runde und gibt direkt die Antwort: „Das Beste was man darüber sagen kann ist, dass man den Menschen knipst, den man auf der Welt am liebsten hat.“

Immer wieder lässt Kalle Pohl seine Kunstfiguren mit rheinländischem Akzent auf das Publikum los. Für Vetter Hein Spack ist der Aufbau und die Verkabelung eines neuen Fernsehgerätes ein wahrer Albtraum. Beim Besuch im Elektronikmarkt wird er auf der Suche nach dem passenden Startkabel mit so „Nupsis oben dran“ nur ausgelacht. Tante Mimi lässt hingegen kein gutes Haar an ihren drei verstorbenen Männern, die alle „Waschlappen“ gewesen seien und bewundert die florierende Kommunikation von Nichte Jennifer, die pausenlos den Standort und die Tätigkeit ihrer Freundinnen per Smartphone checkt.

Neben dem liebevoll vorgetragenem Figuren-Kabarett kann Pohl das Publikum vor allem mit seinen musikalische Einlagen überzeugen. In Zeiten von Selbstverwirklichungszwang und -optimierung ruft der 63-Jährige zu mehr Gelassenheit auf: „Wir sind nicht perfekt“, singt Pohl zu seinem locker von der Hand gehenden Akkordeon-Spiel.

Am Ende gesteht Pohl seine Vorliebe für Musicals und lässt seine Kunstfiguren bei einer Tarzan-Aufführung durch den Dschungel fliegen. Spätestens als er Vetter Hein Spack in der untergehenden Abendsonne der Savanne zum Singen bringt ist klar: der Test für sein neues Programm ist geglückt. Das deutet Pohl auch aus dem abschließenden Applaus: „Bei euch ist es eindeutig. Ihr kriegt die zehn Zugaben.“

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