„Joseph Süß“: Passion in extremen Klangfarben

Das beklemmende Schicksal von „Joseph Süß“ als Oper.

Krefeld. Der letzte Ton ist ein Knacken. Es ist das brechende Genick des hingerichteten Joseph Süß Oppenheimer und das schaurige Ende einer Oper, die Aufstieg und Fall einer faszinierenden Persönlichkeit behandelt. Das von Detlev Glanert komponierte und 1999 in Bremen uraufgeführte Werk erlebte am Theater eine Premiere, die nicht in allem überzeugte.

Der Stoff ist komplex und belastet. Lion Feuchtwanger verarbeitete das Schicksal des jüdischen Bankiers, der im 18. Jahrhundert einem katholischen Herzog diente und den Hofintrigen zum Opfer fiel, zu einem Roman. Die NS-Propaganda missbrauchte den Stoff dann auf infame Weise für den berüchtigten Film „Jud Süß“. Für die Oper haben Glanert und die Librettisten Werner Fritsch und Uta Ackermann die zeitlosen Themen des historischen Stoffes herausgearbeitet. Es geht um Geld, Macht und die Tatsache, dass in einer Krise immer ein Schuldiger gesucht wird. Dazu bedient sich das Stück des Mittels der Rückblende und erzählt die Geschichte vom Kerker aus, in dem Süß auf seine Hinrichtung wartet. Die 13 Szenen wechseln zwischen Vergangenheit und Gegenwart, für den Zuschauer nicht immer gut nachzuvollziehen. Eine konsequent auf einen Höhepunkt zusteuernde Handlung ist Fehlanzeige.

Dennoch gibt es starke Momente, wie im ersten Bild, wo es zur direkten Konfrontation des Gefangenen mit seinen Anklägern kommt. Während Süß vor einer bedrohlich sich nach vorne schiebenden Mauer steht, lässt Regisseur Jan-Richard Kehl die übrigen Darsteller und den Chor vom Zuschauerraum aus agieren. Aus skandierten Rufen „Jud! Judas!“ entsteht eine beklemmende Atmosphäre, der man sich nicht entziehen kann. Die bereits hier anklingenden Anspielungen auf die Passion Christi münden in die Darstellung des Joseph Süß als Gekreuzigter, der brutal an die Kerkerwand gefesselt ist.

Diese bewegliche Wand und ein quer über die Bühne verlaufender Steg sind die Hauptelemente des eindrucksvollen Bühnenbildes von Frank Hänig, der auch die auf verschiedene Epochen anspielenden, teils opulenten Kostüme entworfen hat.

Große Emotionen kennzeichnen die Musik Glanerts, die mit ihren extremen Klangfarben das Ohr immer wieder fordert, aber auch mit leisen, fast lyrischen Passagen zur Ruhe kommen lässt. Unter der hervorragenden präzisen Leitung von Kenneth Duryea arbeiten die Niederrheinischen Sinfoniker die facettenreichen Strukturen eindrucksvoll heraus.

Großes leisten die sieben Sänger des Abends, allen voran das Damentrio Isabelle Razawi (Magdalena), Eva Maria Günschmann (Naemi) und Debra Hays (Graziella). In der Titelrolle bleibt Igor Gavrilov zwar nicht stimmlich, aber darstellerisch zu blass, während Walter Planté als sein Gegenspieler Weissensee eine prägnante Charakterstudie zeigt. Als Henker und Stimmen des Gerichts ergänzt Schauspieler Tobias Wessler mit markanter Stimme die Darstellerriege. Viel Applaus.

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