Jens Pesel zum Abschied: „Ich scheide nicht im Groll“

Nach 14 Jahren endet am Theater die Intendanz von Jens Pesel. Er zieht Bilanz – und blickt in die Zukunft.

Krefeld. Jens Pesel hätte allen Grund, sich zufrieden auf die Schulter zu klopfen. 14 Jahre lang hat er das Theater Krefeld-Mönchengladbach als Generalintendant geführt - unter großem Zuspruch des Publikums und mit vielen künstlerischen Höhepunkten. Pesel selbst ist in der Stadt zur Identifikationsfigur geworden, bekannter und beliebter als viele andere Krefelder Größen.

Doch Eigenlob ist seine Sache nicht, das müssen bei Pesels offiziellem Abschied am 27. Juni andere übernehmen. Stolz schwingt im Gespräch eher zwischen den Zeilen mit, wenn er sich an manche Produktionen erinnert, die Kinder- und Jugendarbeit Revue passieren lässt oder über bewältigte Krisen spricht. "Leute an einen Tisch zu holen, mit ihnen zu reden und dann schnell zu entscheiden - darin war ich gut", sagt Pesel.

Doch schnelle, pragmatische Entscheidungen wurden ihm nicht immer leicht gemacht in diesem komplizierten Haus zwischen zwei Städten, zwei Rathäusern und vielen Eitelkeiten. "Hier wird zu viel gezögert und gezaudert", sagt Jens Pesel. Ihm fehlen die langfristigen Strategien, nicht nur in Bezug auf das Theater: "Wir sind nicht angemessen auf die Zukunft vorbereitet."

Immerhin sind nun einige Dinge in Gang gekommen, um die Pesel lange gekämpft hat: Die Städte wollen die spielfertigen Häuser auf das Theater übertragen und es in eine gemeinnützige GmbH umwandeln. "Wir müssen die Organisation im Basislager vereinfachen. Nur so bleibt mehr Raum, um Expeditionen in Angriff zu nehmen. Der Laden muss laufen."

Pesel kennt sie auswendig, all die guten Gründe, warum das Theater mehr Eigenständigkeit erhalten muss. Umso betrübter stellt er fest, dass sie in der Debatte kaum eine Rolle spielen. "Das Thema wird zu technokratisch vermittelt", findet er. Wie "scheibchenweise" die Wahrheit über die angeblichen Forderungen des Finanzamts ans Licht kommt, hält er für fatal: "Das erweckt Argwohn und Misstrauen unter der Mitarbeitern. Auf der Vertrauensebene könnte man viel mehr erreichen. Man muss hier niemanden motivieren. Hier arbeiten Menschen, die wollen, dass wir vorankommen", sagt Pesel.

Er hält die Vereinfachung der Organisation gerade im Sinne der Kunst für notwendig: "Kunst braucht Zeit und Muße. Man muss Holzwege gehen, irren und scheitern." Dafür sei im Alltag oft nicht genug Zeit geblieben.

Doch Pesel ist niemand, der eigene Fehler den Umständen zuschreibt. Er blickt auch selbstkritisch auf die eigene Intendanz zurück. "Ich glaube, dass wir Wagnis und Risiko zu wenig Raum gegeben haben. Wir haben uns zu viel in der Mitte bewegt, aber die entscheidenden Dinge passieren an den Rändern." Das Theater hätte öfter "das Querdenken fördern" und die "Bildungszumutung" wagen sollen, sagt Pesel: "Wir hätten uns mehr trauen müssen."

Zu oft habe sich das Theater die Finanzdiskussion aufdrücken lassen und sei in eine Selbstrechtfertigung verfallen. "Wir müssen das Bewusstsein für den Eigenwert des Theaters stärken, statt uns in vegetativer Benommenheit für das zu verteidigen, was wir machen." Gerade in der jüngsten, heftigen Debatte hat Pesel einige Wunden davongetragen, auch persönlicher Art. Aber er will nicht nachtreten. Und stellt klar: "Ich scheide nicht im Groll. Spießiges Beleidigtsein gibt es genug. Ich bin nicht Horst Köhler."

Geholfen hat Pesel gerade in den schweren Zeiten der Zuspruch des Publikums, der Applaus, die Briefe und die Demonstrationen: "Die Menschen haben mit großer Beharrlichkeit und Konsequenz für ihr Theater gekämpft." Das freut ihn, weil er seinerzeit ausdrücklich als Intendant für das hiesige Publikum angetreten ist. Jens Pesel hat das Haus nach allen Seiten geöffnet und fest in der Stadt verankert, hat pragmatisch und wortgewaltig, freundlich im Wesen und bestimmt in der Sache das Kulturleben geprägt. Er wird Krefeld fehlen.

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