Kunst Jeans-Schlange am Buschhüterhaus

Krefeld · Die Ausstellung „Repurpose textiles“ im Krefelder Kunstverein, kuratiert von Wilko Austermann, zeigt Arbeiten mit und aus Textilien.

 Außen am Buschhüterhaus ist Ulrike Kessls Arbeit zu sehen.

Außen am Buschhüterhaus ist Ulrike Kessls Arbeit zu sehen.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

An der Fassade des Buschhüterhauses am Westwall räkelt sich eine sonderbare blaue Schlange. Verschlungen windet sie sich an der Loggia im ersten Obergeschoss entlang, hängt in der Mitte herab, als sei sie von der Sommerhitze erschöpft. Bei genauerem Betrachten handelt es sich um ineinander genähte Jeans-Hosen, die mittels Füllung die Form einer Schlange oder eines Schlauches angenommen haben; und es ist Kunst. Kunst aus Textilien, vorgefundenen Textilien – in diesem Fall geschaffen von Ulrike Kessl.

Kunst aus Textilien oder auch textile Kunst – eine Kombination mit langer Tradition, die aber auch immer den Beigeschmack von Kunsthandwerk hatte. Alte Kulturtechniken der Verarbeitung von Textilien sind zwar sehr oft kunstvolle Prozesse, doch eben nicht zwangsläufig auch Kunst, die losgelöst von Zwecken für sich steht und den ästhetischen Dialog mit dem Betrachter sucht. So sehr aber die Vorstellung, dass Kunst mit Stoffen mehr Handwerk als Kunst ist, passé ist, so sehr passt eine Ausstellung mit zeitgenössischen Positionen einer sich mit Textilien auseinandersetzenden Kunst nach Krefeld. In die Seidenstadt.

Eine Kooperation mit dem MMIII Kunstverein in Mönchengladbach

Und die Ausstellung „Repurpose textiles“ im Krefelder Kunstverein zeigt auf imposante Weise, wie vielschichtig die Auseinandersetzung von Künstlerinnen und Künstlern mit dem Material Stoff und Textilie sein kann. Eben auch derart, dass aus Jeans Schlangenwesen oder auch fallweise aus bunten Nylonstrumpfhosen „Spinnennetze“ oder „neuronale“ Verknüpfungen werden. Letzteres, auch von Ulrike Kessl, findet sich ebenfalls in der Ausstellung.

 Kurator Wilko Austermann inmitten von Ulrike Kessls Arbeit „Nylons in space“ in der Ausstellung „Repurpose textiles“.

Kurator Wilko Austermann inmitten von Ulrike Kessls Arbeit „Nylons in space“ in der Ausstellung „Repurpose textiles“.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Hier – wie der englische Titel schon andeutet – vor allem das Spiel mit vorgefundenen Stoffen, die mal verarbeitet, mal in neuem Kontext zu Kunstwerken werden. Die Schau im Buschhüterhaus wird kuratiert von Wilko Austermann und ist eine Kooperation mit dem MMIII Kunstverein in Mönchengladbach, wo parallel Arbeiten der beteiligten Künstler gezeigt werden. Zudem ist auch der Caritasverband Düsseldorf eingebunden. „Repurpose textiles“, bis zum 13. September zu sehen, zeigt Arbeiten von Ari Bayuaji, Stephanie Friedrich, Tobias Hantmann, Richard Helbin, Isabelle Heske, Angelika Huber, Ulrike Kessl, Linnéa Sjöberg und Gray Wielebinski. Und da finden sich nicht nur wild aus Stoff wuchernde Gebilde wie die Arbeiten Kessls, sondern auch Exponate, die ihre Geheimnisse erst auf den zweiten Blick verraten. Die, beispielsweise eigentlich eine sehr reduzierte Ästhetik vor sich hertragen. Ihre eigentliche Tragweise erst durch die Kenntnis der zündenden Idee dahinter kenntlich machen. So etwa Tobias Hantmanns Arbeit mit einem Veloursteppich. Der Künstler hat mit seinen Fingern in den hohen Flor ein Muster, ein Motiv eingezeichnet, lediglich durch die Bewegung der Hand. Durch Licht und Schattenfall entsteht ein sensibles Gebilde, das durch eine Glasscheibe konserviert werden muss.

Viele der Arbeiten spielen mit mehreren Wahrnehmungsebenen

Ari Bayuajis Arbeit wirkt auf den ersten Blick auch minimalistisch – fein gewebte monochrome Stoffobjekte, die von Weitem fast an Yves Kleins monochrome Malerei erinnern. Doch bei genauer Betrachtung entdeckt man Spuren von Plastik in den Objekten. „Weaving the ocean“, den Ozean Weben, heißt für den Künstler hier auch ehemalige Fischernetze für seine Arbeit zu verwenden. Eine andere Art des künstlerischen Dialogs zwischen vorgefundenem Material und Zutun des Künstlers finden wir bei Richard Helbin. Schon fertige Teppiche versieht er mit einer weiteren Ebene, mit Mustern und Motiven, die auf der Oberfläche folkloristisch anmuten mögen.

Mit transparenten Stoffen, die in ihrer Schichtung an gegenstandslose Malerei erinnern arbeitet Stephanie Friedrich und lässt den Betrachter näher herantreten, um den optischen Effekten auf die Spur zu kommen. Im Grunde einen ähnlichen Geist, wenngleich das Werk gänzlich anders aussehen mag, atmet die Arbeit von Angelika Huber, die im Erdgeschoss den Raum dominiert. „Catching Nets“ besteht aus in den Raum gehängten Baumwoll-Leinen-Canvas, ist mit Textilhärter in Form gebracht und vermag in ihrer Luftigkeit einen leichten Akzent in der Ausstellung zu setzen.

 Künstler Gray Wielebinski schuf die Figur „Bruce“ als Stoffcollage.

Künstler Gray Wielebinski schuf die Figur „Bruce“ als Stoffcollage.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Absolut im Kontrast zu der extrovertiert expressiven Arbeit von Linnéa Sjöberg. Die Schwedin schuf eine Art Wandteppich mit einer rosaroten Figur, die collagiert ist mit Stoffen aus ihrer Umgebung. Eine Fundgrube, wenn man so will – oder auch nur ein Statement, das die Persönlichkeit der Schöpferin dieses Werkes spiegeln soll? Bei allen Zweifeln, die hier durchaus berechtigt sind, gewiss ein Blickfang, wie auch das Objekt Gray Wielebinskis. Aus einer wohl unermesslichen Fülle an Stoffen hat der Künstler eine Art „Puppe“ oder Figur auf einer Schaukel sitzend geschöpft. „Bruce“ – so heißt die Arbeit – lässt auf jeden Fall die kindliche Fantasie schweifen. Wenn wir schon bei bunten Fabelwesen sind; Isabelle Heske hat ihre reduzierte Arbeitsfläche aus Latex und Baumwolle mit Wesen aus dem Meer versehen. Die durch ein Reflektionsband geteilte Lein- beziehungsweise Latex-Wand trägt mit Pailletten versehene Applikationen – ganz ähnlich zu den Aufnähern, die Kinder gerne auf ihre Jeans nähen lassen. Doch Vorsicht vor einer Trivialisierung. Es lässt sich reichlich nachsinnen über das Sichtbare und Unsichtbare.

Eine Ausstellung, die sich auch wunderbar für junge Menschen eignet. Denn gerade sie haben oft noch einen offeneren Blick.

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