Jazzmusik zum Hineinlauschen

Krefeld. So viel durchgehende gebundene Rhythmen an einem Abend, dann auch noch die meisten davon im Swing-Idiom, dazu reihenweise Improvisationen, in denen sich die Solisten am Gerüst von Akkordschemata abarbeiten — das gab es lange nicht mehr in einem Konzert im Jazzkeller.

Jochen Rückert, 1975 in Köln geboren, lebt seit 1998 in New York und brachte von dort sein aktuelles Quartett mit und dazu eine Musik, die vor 30 bis 35 Jahren schon einmal angesagt war und jetzt wieder in Mode zu kommen scheint.

Zwischen Post-Bop und New Jazz ist das anzusiedeln, was Rückert und seine Kollegen treiben, in ihrer Entstehungszeit versuchte man mit dieser Musik an den Modern Jazz der 60er Jahre anzuknüpfen, ohne allerdings die Errungenschaften des Jazz Rock der 1970er Jahre komplett auszublenden.

Statt auf Dekonstruktion, Aufbrechen von Strukturen, Harmonien und Rhythmen setzt Rückert in seinen Kompositionen auf Konstruktion, Form, geschickte Verzahnung von Melodie und Begleitung. Der Drummer schreibt alle Stücke für seine Band selbst, ihm gelingen kammermusikalisch dichte Arrangements, in denen er seinen Solisten reichlich Raum lässt, die Vorgaben zu variieren.

Mark Turner, mit 47 Jahren Senior der Band, bläst ein im Klang süffiges Tenor, phrasiert sehr jazzmäßig und hat den Atem für lange, erzählende Melodielinien. Der auch in den Staaten lebende Norweger Lage Lund klingt auf seiner halbakustischen E-Gitarre wie eine Mischung aus Pat Metheny und John Abercrombie, auch er baut seine Soli bedächtig auf.

Matt Penman am Kontrabass ist ein grundsolider Begleiter, dem auch in schnellstem Tempo Walking-Bass-Linien gelingen, in denen die harmonische Struktur klar erkennbar bleibt. Mit ihm zusammen webt Rückert am Schlagzeug eine höchst komplexe Grundlage für die Solisten, die ausgesprochen tragfähig funktioniert.

Rückerts Spiel selbst ist wunderbar schwebend und fließend, in sich oft polyrhythmisch, ohne dabei aber eine klare Linie vermissen zu lassen. Er spielt traditionell von oben nach unten, das heißt primär ist bei ihm die Rhythmuslinie auf den Becken, und das Spiel auf den Trommeln wird zur Füllung der Räume äußerst variantenreich genutzt.

Insgesamt ein Konzert des Jazzclubs, bei dem einen die Musik nicht ansprang. Man musste im Gegenteil in sie hineinlauschen. Das war einmal ganz angenehm.

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