Hitchcock im Hochhaus

Andreas Simon geht auf „Butterfahrt“.

Krefeld. "Garantierte Gewinne! Schöne Aussichten! Verkostung!", steht auf dem Zettel. Jeder Fahrgast bekommt ihn in die Hand gedrückt, wenn er am Südausgang des Hauptbahnhofs neugierig den Bus besteigt. Es geht auf "Butterfahrt". Keiner weiß, wohin, aber gemütlich soll es werden.

"Butterfahrt" ist die zweite Tanz-Raum-Aktion des Krefelder Tänzers und Choreografen Andreas Simon. Sie ist aus einem Tanzprojekt mit Laien im Werkhaus hervorgegangen. Nachdem im vergangenen Jahr mit "Au Milieu" die Krefelder Mittelstraße zur Tanzwelt mutierte, geht es jetzt mit zünftiger WDR4-Musik in Richtung Linn.

Erste Station: unter der Autobahnbrücke. Blaue Männer weisen den Weg, und schon tanzt ein Strandnixen-Ensemble mit Käscher, Liegestuhl und Eimerchen. Ungemütlich Hitchcock-mäßig wird es im nahe gelegenen Hochhaus, wo die Tänzerin zur Musik von "Psycho" die Balkone belegt.

Die Kultur am Niederrhein zeigt ihre beiden Gesichter: Horror und Gemütlichkeit. Denn nach einem lüsternen Versteckspiel auf dem Parkplatz geht es zum geselligen Kegeln in die Gaststätte "Zum Intercity" - Schnittchen, Korn und Pudel werfen.

Tanztheater ist stets auch die Erschließung gegenwärtiger Lebensräume: Ob als Pfahlhocker zwischen hässlichen Garagenhöfen oder als Kartoffelschäler und Baumpolierer hinter dem Gitter eines zugewachsenen Bolzplatzes - die sechs schwarz gekleideten Tänzerinnen polieren Heruntergekommenes auf, Schabrackiges beginnt zu glänzen.

Man kann Polaroids mit den "Stars" erwerben, bekommt Glücksversprechen in Form von Rubbellosen zugesteckt. Zum Abschluss winken uns die Akteure unter der Autobahnbrücke zu. Im Bus gibt es stehenden Applaus.

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