Himmlische Sticheleien

Haus der Seidenkultur zeigt liturgische Gewänder in der alten Paramentenweberei.

Krefeld. Was hat Braunkohle mit Sticken zu tun? Gar nichts, denkt man und wird im Haus der Seidenkultur sofort eines Besseren belehrt: Alte Chormäntel aus dem Rheinischen Braunkohlerevier wurden dem Haus der Seidenkultur geschenkt. Die Kirche in Inden, in der sie getragen wurden, weicht inzwischen den Baggern. Hier an der Luisenstraße sind diese liturgischen Gewänder Teil einer Ausstellung mit dem Titel "Himmlische Sticheleien".

Einige der Exponate sind an den Ort ihrer Herstellung zurückgekehrt: Das kleine Museum war ehemals die Paramentenweberei Gotzes. An einer Wand hängt ein Foto aus dem Jahre 1955: 50-jähriges Bestehen des Unternehmens. Die Mitarbeiter sind darauf abgebildet, die damalige Chefin Henriette Gotzes, die Weber und die Buchhalter und auch die Lehrmädchen.

Eine von ihnen, Josy Niehs, geb. Cammans, erinnert sich an jene Zeiten. "Ich habe es hier wirklich gut gehabt!" Josy Niehs hat 1954 ihre Lehre als Gebildhandstickerin bei Gotzes begonnen, war drei Jahre später fertig und hat dann noch vier weitere Jahre hier gearbeitet. Damals war eine Mitarbeiterin für eines der Stücke ganz und gar zuständig: Muster entwerfen, zuschneiden, sticken, nähen, Borten aufsetzen. Das konnte schon mal acht Monate dauern, bis so ein Priestergewand fertig war.

In einer Vitrine liegen auch Papiere und Abrechnungen aus den guten alten Zeiten: Für 40Stunden Arbeit in der Woche bekamen die Stickerinnen 22Mark, das war ein Stundenlohn von 55 Pfennig. Davon wurde noch einiges abgezogen: Krankenkasse pro Woche 73 Pfennig. Im Vierteljahr kam brutto ein Lohn von 282,42 Mark heraus.

In einer anderen Vitrine sind goldene Fäden zu einem Strang gewunden: "Das ist Japan-Gold", erklärt Josy Niehs, "Blattgold um einen Seidenfaden gewickelt, das ist sehr kostbar!" Es sieht immer noch aus wie neu.

Beim Zurückdenken an ihre Lehrzeit fällt ihr auf, dass im Hause immer noch alles genau so aussieht wie vor mehr als 50 Jahren: "Der Fußboden ist immer noch der alte." Josy Niehs erinnert sich auch daran, was für ein gutes Verhältnis die Chefin zu ihren Mädchen pflegte: "Wenn wir pünktlich waren, sorgfältig arbeiteten und uns bei der Arbeit gut kleideten, bekamen wir alles von ihr." Josy Niehs schied nach der Geburt ihres Sohnes aus der Paramentenweberei aus: "Aber ich habe immer weiter gestickt, ich tue es heute noch!"

Was man noch alles besticken kann, zeigt in einem bunten Überblick diese Ausstellung.

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