Hans-Peter Kreuzberg - der ruhende Pol der Kultur

40 Jahre lang war der CDU-Politiker Hans-Peter Kreuzberg Mittler und Macher. Nun zieht er sich zurück.

Hans-Peter Kreuzberg - der ruhende Pol der Kultur
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Mit Landwirtschaft hat Hans-Peter Kreuzberg nichts am Hut, aber die Kuh vom Eis holen, das kann er. Wie oft stand sie da in den vergangenen zehn Jahren, mitten in der Krefelder Kulturlandschaft, und von allen Seiten zerrten die Leute an ihr, viele ohne einen Hauch von Ahnung, was sie da taten. Kreuzberg, langjähriger Vorsitzende des Kulturausschusses, ist stets ruhig geblieben, wie es seine Art ist. Und so hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass die Sparwut der vergangenen Jahre in der Kultur keine tiefen Schneisen hinterlassen hat.

Dabei war die Position des 72-Jährigen, der nach vier Jahrzehnten im Stadtrat nun ausgeschieden ist, außerordentlich kompliziert. Kreuzberg, der aus einem konservativen Elternhaus in der Nähe von Bonn stammt, hat ein CDU-Parteibuch. In Krefeld bedeutet das: Er gehört in der Regel zu den Regierenden. In Zeiten knapper Kassen, also immer, verbietet sich somit die blinde Unterstützung kultureller Belange. Kreuzberg ist zum Realpolitiker verdammt. In seiner Fraktion bricht er eine Lanze für die Kultur, aber in der Kulturszene muss er die Politik seiner Fraktion vertreten.

Diesen Spagat hat er so umsichtig und geschickt gemeistert, dass meist ein Kompromiss gelang, mit dem am Ende alle leben konnten. Als das Theater 2009 plötzlich hunderttausende Euro einsparen sollte, gehörte Kreuzberg zu jenen, die zwischen verhärteten Fronten Mittler spielten. Als die Museumssanierung im Streit um die Gesamtkosten zerredet wurde, half er, den Mittelweg zu finden. Und als einige in seiner Fraktion im Nothaushalt radikale Einschnitte forderten, wiederholte er fast beschwörend das Credo des Augenmaßes: „Wir dürfen die Grundstruktur nicht zerstören.“

Was Kreuzberg von vielen seiner Kollegen unterscheidet: Nach Jahrzehnten kennt er die Kulturszene und ihre Belange sehr genau. „Ich hatte von Haus aus keine besondere Affinität dazu“, sagt er. „Aber 40 Jahre in der Kulturpolitik haben Spuren hinterlassen.“ Als er Mitte der 70er Jahre aus beruflichen Gründen nach Krefeld kam und sich — natürlich — in der CDU engagierte, kam er nur zufällig zu seinem künftigen Spezialthema. „Ich hatte mir einen Rechnungsprüfungsbericht zum Theater vorgenommen und ein kritisches Papier dazu geschrieben. Da hatte ich meinen Ruf weg: Einer, der in der Kultur aufräumen will.“

Auch wenn dieser junge Herr Kreuzberg politisch wohl wenig gemein hatte mit dem bedächtigen Vermittler der späten Jahre, könnte man heute konstatieren: Mission erfüllt. Bei seinem Abgang im Jahr 2014 ist das Theater saniert, das Kaiser-Wilhelm-Museum so gut wie. Krefeld hat eine neue Mediothek, die überregional bewundert wird, und trotz Nothaushalts gibt sich die freie Szene quicklebendig. All das ist nicht allein Kreuzbergs Verdienst, aber er hat seinen Teil beigetragen: „Die großen Dinge sind erst mal erledigt“, sagt er.

Doch der langjährige Leiter des Arndt-Gymnasiums ist realistisch genug, die Grenzen des Sparens zu erkennen. „Der Konflikt zwischen Wunsch und Realität war immer da“, sagt er. „Aber es war nie so eng wie jetzt.“ Sorgen macht er sich um die Leute in den Kulturinstituten und in der freien Szene: „Die arbeiten bis an die Grenze der Belastbarkeit. Da ist es mir zu billig zu sagen: Die müssen mehr kooperieren und Drittmittel anwerben — das machen sie längst.“

Wenn der ruhige Herr Kreuzberg sich in Rage redet, merkt man, wie sehr sein Herz an der Kultur hängt — und dass der Kopf längst gefolgt ist. „Die Kultur ist kein nettes Anhängsel für Samstage, sie gehört zum städtischen Leben, sie ist Standortfaktor und Identifikationsträger. Das haben sogar Kollegen verstanden, die man nie im Theater sieht.“

Hans-Peter Kreuzberg hofft, dass sich in seiner Fraktion auch im neuen Rat Leute finden, denen Kulturpolitik wichtig ist. Er selbst wird dem Kulturausschuss als sachkundiger Bürger erhalten bleiben. „Als Elder Ratsherr wollte ich lieber freiwillig abtreten, den Übergang begleiten, bevor meine Arbeit Stirnrunzeln auslöst.“ Diese „zweite Pensionierung“ gibt ihm Zeit für Dinge, die er wirklich liebt: Lesen, Reisen, seine Enkel — und natürlich Krefelds munteres Kulturleben.

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