Goldoni als wüste Klamotte

Im Theater Krefeld inszeniert Matthias Kniesbeck „Der Diener zweier Herren“.

Krefeld. Ach ja, die Italiener. Schwingen laut große Reden, immer munter durcheinander. Frönen Wein, Weib, Gesang und Mamas Küche. Lieben die ausladende Geste und das überbordende Gefühl. Was passiert, wenn eine Horde venezianischer Gaukler am Niederrhein einfällt, um Carlo Goldonis "Der Diener zweier Herren" aufzuführen, erlebte das Publikum im Krefelder Theater auf Zeit (TaZ). Und hatte im Angesicht dröhnender, kreischender Lebensfreude nur zwei Optionen: mitlachen oder schnell zwei Aspirin einwerfen.

Regisseur Matthias Kniesbeck, den die Finanzkrise des Theaters wohl nach dieser Spielzeit vertreiben wird, hat eine eigene Fassung des Klassikers geschrieben: Goldoni auf Speed, ein Liebesreigen im Zeitraffer, in zwei mal 50 Minuten ohne Atempause. Das Ensemble als angeblich italienische Schauspieltruppe kommt schon gehetzt auf die Bühne, der Cheffe lamentiert über den Stau am "Kreuze Meerebusche".

Doch in Windeseile steht ein improvisiertes Bühnenbild (Monika Gora), und das Verwirrspiel kann beginnen. Mittendrin ist Titelheld Truffaldino, der Beatrice dient und zur gleichen Zeit Florindo - zwei Liebende, die sich suchen und einander nah sind, ohne es zu ahnen.

Frederik Leberle ist als jener Diener zweier Herren das Herz des Stücks, ein rührend einfacher und doch gewitzter Kerl, der tollpatschig über die Bühne wirbelt, ein Bein im Canale Grande, das andere stets im nächstbesten Fettnapf. In einer Szene, die an Turbulenz kaum zu überbieten ist, serviert er beiden Herren gleichzeitig ein Acht-Gänge-Menü, rollt den Bratfisch quer über den roten Teppich, wäscht die Spaghetti im Fluss und stopft sich Wackelpudding in die Taschen. In diesem tolldreisten Arrangement des Klamauks wird deutlich, was Kniesbeck will: überschäumendes Theater an der Grenze zur Hysterie, zwischen Slapstick, Commedia dell’arte und Irrenhaus. Er will albern sein, will Goldonis Stück nicht feinsinnig interpretieren, sondern offenbar darüber herfallen wie ein Berserker. Nun ja, Mission geglückt.

Dass Kniesbecks Darsteller volle Kanne mitziehen, macht die Aufführung jedoch vor allem zu einem Triumph des Ensembles: Eva Mona Rodekirchen, die als Beatrice hart und cool den Degen schwingt und dahinter doch das empfindsame Wesen erahnen lässt; Stefan Diekmann, der in seiner Nebenrolle als lässiger Wirt Brighella jede Zeile und jede komische Geste auf den Punkt serviert; Joachim Henschke und Matthias Oelrich, die sich als Pantalone und Dottore herrlich donnernde Duelle liefern.

Wie sehr jeder bei der Sache ist, wird besonders dann klar, wenn die Darsteller nicht aktiv im Geschehen sind: So plump und wüst mitunter die Klamotte tobt - die Komik versteckt sich oft am Rande, im beiläufigen, liebevoll erarbeiteten Detail. So ist es hier - um weiter fröhlich nationale Klischees zu bedienen - wohl erst deutsche Präzision, die italienische Lebensfreude möglich macht. Der Krefelder "Diener" mag Chaos und Tohuwabohu zelebrieren, doch dahinter steckt eine gut geölte Maschinerie. 2 Stunden mit Pause. Auff.: 5., 6., 13.Februar, 1., 21., 27. März. Karten unter Telefon 02151/805125.

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