Geschichte hinter dem Gucklock

Am Frankenring können Besucher auf Spurensuche gehen.

Krefeld. Selbstbewusstsein ist ein schönes Wort, weil Bewusstsein schon mit drinsteckt. Um beides geht es Nicolas Beucker, wenn er den Bau beschreibt, in dem sein Fachbereich sitzt. „Wir gehen selbstbewusst mit dieser Ikone der Stadtkultur um“, sagt der Design-Professor. „Und mittlerweile ist auch die ganze Hochschule stolz darauf.“ Wenn jetzt noch die Krefelder Bürger den Blick gen Frankenring richten, hat Beucker ein wichtiges Ziel erreicht.

Gemeinsam mit neun Studenten und der Kunsthistorikerin Christiane Lange hat Beucker eine Ausstellung vorbereitet, die heute eröffnet wird. Sie führt den Besucher durch die frühere Textilingenieursschule und den Außenbereich. Auf Tafeln und in Vitrinen, durch Gucklöcher und Ferngläser können sie die Geschichte des Gebäudes erleben und in Beziehung zur Gegenwart setzen. „Es ist eine Spurensuche“, sagt Lange. „ Jeder muss sich das Gelände selbst erschließen.“ Ein ähnlicher Grundgedanke liegt ja dem Golfclub-Modell auf dem Egelsberg zugrunde, mit dem Lange und ihre Mitstreiter Mies van der Rohe neu auf die Krefelder Agenda gesetzt haben.

Nun soll das mit Bernhard Pfau gelingen, nach dessen Plänen die Textilingenieursschule zwischen 1952 und 1958 gebaut wurde. Der Architekt (1902-1989), der unter anderem das Düsseldorfer Schauspielhaus entworfen hat, war wie Mies ein Spezi der Krefelder Seidenindustriellen. Mit der Stadt und dem Land finanzierten sie den Bau — und als sie in die Krise gerieten, blieb Pfaus Werk für immer unvollendet. „Der Südteil von 42 Metern Länge fehlt komplett“, sagt Lange. Er hätte auch die Verbindung zur Textilforschungsanstalt geschaffen, die heute etwas verloren abseits steht.

Auch das Hauptgebäude, das sich einst mit seinem wuchtigen Vorbau auf Stelzen und seiner Glasfassade in Richtung Stadt öffnete, liegt heute verborgen hinter einer Hecke und hohen Bäumen. Auch innen ist manche Sünde erkennbar, die eifrige Brandschützer und eilige Handwerker mit den Jahren hinterlassen haben. „Wir wollen das Gebäude nicht nur bejubeln, sondern auch bedauern“, sagt Nicolas Beucker.

Für einige Wochen hat er seinen Arbeitsort, der im Winter immer zu kalt und im Sommer immer zu heiß ist, vom Alltag befreit. Studentische Arbeiten, Flyer und Poster sind verschwunden — was bleibt, ist das pure Gebäude. Es hält den Blicken stand.

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