Geister aus Brasilien erobern die Bühne
Das Stück „Cavalo de Santo“ entführt die Zuschauer in einen brasilianischen Mikrokosmos. Und mixt Vorurteile mit religiöser Vereinnahmung.
Regisseur Jessé Oliveira gestikuliert und macht große Augen — das brasilianische Portugiesisch wirkt wie eine auf- und ab springende Melodie, wenn er über das Stück „Cavalo de Santo — Das Pferd des Heiligen“ spricht. Unterbrochen wird der Redefluss nur durch die Pausen für Senia Hasievic, die beim Vorgespräch in der Fabrik Heeder übersetzt.
„Ich möchte aufzeigen, wie Touristen uns sehen“, sagt der Regisseur aus Brasilien, der im Rahmen der Reihe „Außereuropäisches Theater“ erstmalig in Europa arbeitet. 2002 gründete Jessé Oliveira die afrobrasilianische Theatergruppe „Blackbox“. Mit dieser erarbeitet er hauptsächlich Klassikerinszenierungen, in denen er afrobrasilianische Tradition mit heutigen Mythen kombiniert. Seine erste Arbeit für den europäischen Raum behandelt die Sicht auf brasilianische Stereotypen und Klischees, wobei die Grenzen zur Realität dabei fließend seien.
Mit einem Blick auf das Bühnenbild macht er deutlich, wie er dem Publikum diese Grauzonen näherbringen möchte. Es wirkt, als wäre der Übergang zwischen Bühne und Zuschauerrängen fließend. Von der Decke reichen Urwaldauswüchse bis über die Plätze des Publikums. Ein simpler Teppichboden reicht bis an die Grenze zwischen Schauspielern und Zuschauern heran. Ein alter Röhrenfernseher, ein bunter Papagei in einem Hängekäfig, eine Obstkiste, die als Beistelltisch neben einer knallroten Couch dient und viele weitere Utensilien bilden ein brasilianisches Wohnzimmer ab, das während des Stücks zu einer Art Mikrokosmos wird. In diesem leben Inácio und Graça. Wobei sich Inácio in das namengebende „Pferd des Heiligen“ verwandelt. So wird in der afrobrasilianischen Religion derjenige bezeichnet, von dem ein Heiliger oder ein Halbgott Besitz ergreift. Das Publikum darf sich also auf vielleicht im ersten Moment befremdlich wirkende Szenen freuen. „Das Stück ist wie Shamanismus in theatraler Form. Aber es ist nicht gefährlich für die Zuschauer“, fasst Dramaturg Thomas Blockhaus vom Theater zusammen.