Ganz große Oper im Stadttheater

„Hamlet“ feiert eine glanzvolle Premiere und sorgt beim Publikum für stehende Ovationen.

Ganz große Oper im Stadttheater
Foto: Matthias Stutte

Am Anfang und am Ende gibt es einen leeren Thronsessel. Dazwischen entwickelt sich ein Drama um Macht und Rache, dem einer der berühmtesten Stoffe der Weltliteratur zugrunde liegt. Shakespeares Tragödie um den dänischen Prinzen Hamlet lieferte die Vorlage für die große französische Oper „Hamlet“ von Ambroise Thomas. Lehnte das französische Theater des 18. Jahrhunderts noch Shakespeares Stücke als zu blutrünstig und grob ab, erkannte man im 19. Jahrhundert das Potenzial für große Seelendramen. Thomas feierte mit seinem 1868 in Paris uraufgeführten Werk einen seiner größten Erfolge. Zum Erfolg wurde auch jetzt die Premiere im Krefelder Theater, wo Ensemble und Regieteam am Ende des dreistündigen Abends mit stehenden Ovationen gefeiert wurden.

Um es gleich vorwegzunehmen: An diesem Abend bekam man ganz große Oper zu sehen, die hinsichtlich Musik, Ensemble, Regie und Ausstattung keine Wünsche offenließ. Vor allem die klug durchdachte und feinfühlige Regie von Helen Malkowsky traf genau den richtigen Ton zwischen opulenter Oper und psychologischem Drama. In der Oper, die als Grundlage bereits eine bearbeitete Fassung der Shakespeare-Vorlage benutzt, wird die Geschichte Hamlets mit einigen anderen Akzenten erzählt. Das Personal ist auf die wesentlichen Figuren Hamlet, Ophelia, das Königspaar Claudius und Gertrude reduziert, Polonius, Laertes und Horatio sind kleine Nebenfiguren.

Der Akzent liegt auf dem Familiendrama um den Königsmord und der unglücklichen Liebesgeschichte zwischen Hamlet und Ophelia. Dass Hamlet am Ende der Oper als neuer König glanzvoll den Thron besteigt, erscheint nach all’ diesen Konflikten dann doch etwas unglaubwürdig. So zeigt die Regisseurin am Ende erneut das starke Bild des leeren Throns, anstelle der Krone setzt Hamlet sich eine Narrenkappe auf. Der Narr ist ebenfalls eine intelligente Zutat der Regie. Mit großer Präsenz schlüpft Andrew Nolen in die Rolle des Narren, in der auch der Geist von Hamlets totem Vater auf beklemmende Weise Gestalt annimmt.

Diese Spiegelungen und Doppelbödigkeiten, auch das Spiel mit unterschiedlichen Wahrnehmungen, zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend. Es wird auch im Bühnenbild (Hermann Feuchter) kongenial umgesetzt. Ein eleganter, leicht schräg gestellter Parkettboden ist die Spielfläche. Manchmal spiegelt er sich als Rückwand, hinter verschiedenen Bilderrahmen entstehen und verschwinden weitere Räume. Das Thema „Theater auf dem Theater“, dem in diesem Stück eine besondere Bedeutung zukommt, wird dabei ebenfalls visualisiert. Hamlets Welt gerät zunehmend aus den Fugen, bei seinem berühmten Monolog „Sein oder Nichtsein“ steht er sich einem schräg verzogenen, goldenen Türrahmen. Gold und schwarz sind auch die vorherrschenden Farben der prächtigen und dabei so geschmackvollen Kostüme (Susanne Hubrich).

Das alles sind die wunderbaren Rahmenbedingungen für ein großartiges Sängerensemble. Rafael Bruck ist ein im Spiel und Gesang beeindruckender Titelheld, der die Zerrissenheit zwischen seinen Rachegelüsten und den intellektuellen Grübeleien perfekt verkörpert. Sophie Witte als fragile Ophelia ist nicht nur stimmlich ein Ereignis. Ihre Wahnsinnsszene wird zum Höhepunkt des besonderen Abends. Matthias Wippich und Janet Bartolova überzeugen sehr als zunächst skrupelloses und später von ihrem Gewissen geplagtes, mörderisches Königspaar.

Der Chor (Einstudierung Michael Preiser), der den unterwürfigen und nach Einfluss strebenden Hofstaat verkörpert, ist nicht nur gesanglich, sondern auch darstellerisch sehr präsent. Musikalisch getragen wird der Abend von den Niederrheinischen Sinfonikern, welche unter der Leitung von Generalmusikdirektor Mihkel Kütson die gefühlvolle, mit dramatischen Effekten aufgeladene Musik sehr facettenreich interpretieren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort