Theater Barocke Vorlage für Tanz in der Arena

Krefeld · Bei der Inszenierung auf Grundlage der Oper „Ariodante“ wechseln sich absurde, bedrückende und komische Momente ab.

 In dem Stück „Ariodante“ dreht sich alles um die vier Tänzer. Zum Schluss versuchen sie, einen Tänzer umzubringen.

In dem Stück „Ariodante“ dreht sich alles um die vier Tänzer. Zum Schluss versuchen sie, einen Tänzer umzubringen.

Foto: Sebastian Becker

„Ariodante“ ist der Name einer Oper von Georg Friedrich Händel, in der es um die literarische Figur des „Orlando furioso“ (der rasende Roland) geht. Barocke Elemente und übersteigerte Emotionen finden sich auch in dem Tanzstück der jungen Choreografin Marie-Lena Kaiser wieder, das jetzt im Rahmen des Formats „First & Further Steps“ in der Fabrik Heeder zu erleben war.

Kaiser hat für ihr 65-minütiges Stück ebenfalls den Titel „Ariodante“ gewählt, in dessen Zentrum kreative Schaffensprozesse und ihre Hinterfragung stehen. Die Bühne ist als Arena gestaltet, die Zuschauer sind in einem großen Kreis um die Tanzfläche platziert. Das Zentrum der Fläche ist durch ein kleines Kreuz auf dem Boden markiert. Die zwei Tänzer und zwei Tänzerinnen betreten zunächst einzeln diesen Punkt und beginnen zu den Klängen eines Cembalos mit ihrem Tanz. Die erste Tänzerin verlässt den zentralen Punkt noch nicht, agiert sehr kontrolliert. Die zweite erkundet schon mehr den Raum, wird in ihren Bewegungen expressiver. Es folgt einer der beiden Männer, der zunächst so lange in einer angespannten Position verbleibt, bis seine Muskulatur sichtbar zu zittern beginnt. Später wechselt er in wilde Sprünge über, die sich stets wiederholen. Die expressiven und zugleich monotonen Klänge des Cembalos spiegeln dieses Gefangensein in der Bewegung wider. Eine Tänzerin kommt zu ihm, flüstert ihm etwas zu und er hört auf. Er wird vom zweiten Tänzer abgelöst, der sich ebenfalls in bis zur Zappeligkeit steigernden Bewegungsabläufen erprobt.

Nach diesem ersten Durchlauf inszenieren die vier eine Probensituation, in der sie sich gegenseitig kommentieren. Dabei fallen Sätze wie „Verbinde Boden und Atem!“ „Sende Energie hinaus!“ und „Bleibe zeitgenössisch!“ Die große Ernsthaftigkeit, mit der die Tänzer versuchen, diesen teilweise absurden Aufforderungen nachzukommen, führt auch zu komischen Situationen. Schließlich triumphiert eine Tänzerin, dass sie den richtigen Weg für sich gefunden hat. Die anderen schließen sich ihr an und alle laufen in hohem Tempo durch die Arena ganz dicht am Publikum vorbei. Doch die Situation eskaliert, als ein Streit um das markierte Zentrum des Raums entsteht. Ein Tänzer stellt sich gegen die anderen und behauptet, selbst der Choreograf zu sein, der alles bestimmen kann.

Die Situation steigert sich ins Absurde, als die anderen ausprobieren, ihn auf verschiedene Arten umzubringen. Das Cembalo klagt dazu elegisch. Doch am Ende erweist sich auch das wieder nur als eine Pose, die auch die anderen einnehmen, die Grenzen zwischen Spiel und Realität verwischen. Das Hinterfragen kreativer Schaffensprozesse durch eine Überspitzung verschiedener Situationen und Machtverhältnisse gelingt über weite Strecken gut, führt nur gegen Ende zu einigen Längen.

Für die Tänzer Jordan Gigout, Ying Yun Chen, Clemence Dieny und Enis Tuaran ist es Hochleistungssport pur. Allein zu sehen, wie alle vier diese physischen aber auch darstellerischen Herausforderungen meistern, hinterlässt großen Eindruck. Ein furioser Ausklang der Reihe „First & Further Steps“, die bereits zum sechsten Mal in der Fabrik Heeder stattgefunden hat. Im Oktober geht es weiter mit dem Tanzfestival „Move!“.

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