Sinfoniekonzert Eine Zugabe, die den Atem anhalten lässt

Mit Pianist Bernd Glemser musiziert ein Meister seines Fachs mit den Sinfonikern im Seidenweberhaus.

Sinfoniekonzert: Eine Zugabe, die den Atem anhalten lässt
Foto: Lothar Strücken

Es sollte ein Abend großer Emotionen werden, jedoch nicht unbedingt vieler erfreulicher positiver Gefühle. Die spielen schließlich im Drama Hamlet eine untergeordnete Rolle und in der Vertonung von Franz Liszt (1811—1886) ist es ebenfalls so. Die Niederrheinischen Sinfoniker lassen daran auch keinen Zweifel. Unter dem Gastdirigenten Frank Beermann, der bis vor kurzem neun Jahre lang als Generalmusikdirektor am Theater Chemnitz wirkte, lassen sie düstere Klangbilder entstehen.

Zwar wollte der Komponist mit seiner Sinfonischen Dichtung Nr. 10 keine Programmmusik schreiben, aber natürlich kommen die Stimmungen und Abgründe menschlicher Seelen zum Klingen. Zweifel, Unsicherheit, Fragen, dann wieder ein Kraft, Energie und Aufbegehren symbolisierendes Spiel — das Orchester setzt diese Zerrissenheit in einer sehr akzentuierten Interpretation mit perfekten Zäsuren um.

Ganz anders sind die Herausforderungen bei Ludwig van Beethovens (1770-1827) Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll. Hier gilt es einen Dialog auf vielen Ebenen mit dem Soloinstrument zu führen. Mit dem Solisten Bernd Glemser hat man dazu einen Meister seines Fachs eingeladen. Mit virtuoser Leichtigkeit präsentiert er im Allegro con brio lange Läufe. Der zweite Satz, ein Largo, bietet einen besonderen Hörgenuss. Im feinfühligen Spiel und Miteinander von Orchester und Solisten kommt wunderbar heraus, dass Beethoven kein Klavierkonzert im klassischen Sinne mit üblicher Rollenverteilung geschrieben hat.

Der dritte Satz Rondo Allegro bringt erstmals Tänzerisches mit virtuosen Einlagen, einen heiteren Dialog zwischen Orchester und Klavier in den Konzertabend. Das Publikum ist begeistert und spendet nicht enden wollenden Applaus. Glemser bedankt sich mit einer solistischen Chopin-Zugabe voller Einfühlungsvermögen und gleichzeitig einer feinen Spannung, die den Atem anhalten lässt.

Nach der Pause geht es mit Carl Nielsen (1865—1931) und seiner Sinfonie Nr. 2 „Die vier Temperamente“ wieder in große musikalische Charakterbilder. Seine Satzbezeichnungen machen es deutlich: Allegro collerico, Allegro comodo e flemmatico, Allegro malincolico und Allegro sanguineo.

Dank einer überzeugenden Präsentation der Niederrheinischen Sinfoniker werden die Charaktere höchst anschaulich. Da scheint zunächst ein Choleriker mit Aufbrausen und Grummeln durch das Seidenweberhaus zu toben. Verhalten tänzerisch, ein Walzer mit angezogener „Handbremse“ charakterisiert den Phlegmatiker (langsamer, schwerfälliger Mensch), der Melancholiker (schwermütiger Mensch) zeigt eine dicke Portion Selbstmitleid, mal leise, mal dick aufgetragen und schließlich hüpft, sprintet der Sanguiniker (lebhafter, heiterer Mensch) zum großen Finale. Ein langer Applaus folgt, den auch das Orchester seinem Gast Frank Beermann am Dirigentenpult gibt. “ Das Konzert wird am Freitag, 21. Oktober, um 20 Uhr im Seidenweberhaus wiederholt. Kartentelefon: 80 51 25.

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