Eine gute Seele hintenlinks

Die freie Kulturszene ist auf Ehrenamtliche angewiesen. Birgit Neschen gehört zu diesen Helfern und empfindet es als Bereicherung.

Eine gute Seele hintenlinks
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Ihre Augen strahlen, nicht nur, weil sie perfekt getuscht sind. Ihr Mund formt ein dezentes Lächeln, sehr freundlich, fast spitzbübisch, auf keinen Fall ein geschäftsmäßiges, austauschbares „Sie wünschen?“-Lächeln. Wenn Birgit Neschen mit Gästen plauscht, dann entsteht sofort eine angenehme Stimmung.

Für das Theater hintenlinks ist die 54-Jährige auch dadurch ein großer Gewinn. „Sie ist ein Schatz, den wir nie verlieren wollen“, sagt Peter Gutowski, der das kleine Szene-Theater in der Im-Brahm-Fabrik hinter dem Hauptbahnhof mit seiner Frau Anuschka betreibt. Und Birgit Neschen schwärmt, wie viel Spaß ihr die Arbeit macht, wie familiär es hier zugeht.

Die Krefelderin gehört zu zehn Ehrenamtlern, die sich hier engagieren. Sie besorgt Requisiten, steht bei den Vorstellungen hinter der Theke und beantwortet Fragen der Zuschauer. „Die Gäste wollen sich austauschen, über die Stücke reden. Es macht mir viel Spaß, mit ihnen in Kontakt zu kommen“, sagt die Lehrerin der Albert-Schweitzer-Realschule, die als Single, wie sie sagt, vor zwei Jahren die Zeit hatte und auch gekommen sah, um sich ehrenamtlich zu engagieren.

Sie wollte nicht „wie manche Bekannte zum Couch-Potato werden, das ist mir zu langweilig“. Bei der Nachfrage im Freiwilligenzentrum wurden ihr auch soziale Aufgaben angeboten. „Aber als dann der Begriff Theater fiel, sagte die Mitarbeiterin, mit der ich sprach: ,Oh, da leuchten die Augen.’“

Sie habe es von Anfang an im Theater hintenlinks toll gefunden. „Die Chemie stimmte, und ich habe meine Theaterliebe wiederentdeckt“, sagt die Französisch- und Geschichtslehrerin, die auch Kinobesuche, Bücher, Singen und Tanzen liebt. Und schon als Kind sei sie eben gerne ins Theater gegangen. „Ich hatte ein Elternhaus, das das sehr gefördert hat.“

Neschen konnte schon Bandaufnahmen für Stücke einsprechen, in den Sommerferien soufflieren, bei der Recherche für neue Inszenierungen helfen und einmal „durch einen totalen Zufall“ auch als Statistin mitspielen. Weil sie in den Ferien Zeit hatte und es ihr Freude machte, hatte sie zahlreiche Proben für die Gruselkomödie „Mäusebutter“ begleitet und irgendwann auch alle Lieder leise mitgesungen. Als ein Statist ausfiel, kam Anuschka Gutowski bei der Suche nach Ersatz schnell auf Birgit Neschen, die alle Melodien und Texte im Kopf hatte. „So etwas ist aber die Ausnahme“, betont Peter Gutowski, der auch aktuell weitere Freiwillige sucht, die den Spielbetrieb unterstützen.

Ob Spielpläne sortiert oder eingekauft werden muss, ob etwas repariert oder geputzt wird, „wir sind fast zwangsläufig auf Ehrenamtler angewiesen“, sagt der 55-Jährige. Im Theater hintenlinks mit seinen 70 Plätzen würden nun einmal — wie überhaupt in der freien Kulturszene — „Nischen bedient und nicht die Massen“. Ohne Helfer könne man sich „nicht über Wasser halten“.

Wichtig sei, dass die Ehrenamtlichen „nicht nur geben, sondern auch etwas bekommen, dass sie nicht in Aufgaben gepresst werden, die ihnen nicht gefallen, sondern als Menschen gesehen werden, aus deren Möglichkeiten man schöpft, was sie wiederum stark macht“, sagt Gutowski. „Es ist aber auch klar, dass es manchmal stressig ist, gerade in der Schlussphase einer Produktion.“

Birgit Neschen scheut das nicht. Auch wenn manche Freunde nicht verstehen, dass sie irgendwo unbezahlt arbeitet. „Ich finde, Ehrenamt und Beruf befruchten sich. Ich bin durch mein Ehrenamt viel mutiger in der Begegnung mit Menschen und in Diskussionen geworden.“ Für sie sei bei dieser Aufgabe „das Ende offen, ich bin ein sehr treuer Mensch. Wenn mir etwas gefällt, bleibe ich auch“.

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