Konzert Eine fast normale Konzertgala

Krefeld · Die Niederrheinischen Sinfoniker unter Mihkel Kütson spielten das letzte der Promenadenkonzerte der Saison im Theater.

 Promenadenkonzert der Niederrheinischen Sinfoniker. Oboist Yoshihiko Shimo (links) spielte unter der Leitung von Mihkel Kütson.

Promenadenkonzert der Niederrheinischen Sinfoniker. Oboist Yoshihiko Shimo (links) spielte unter der Leitung von Mihkel Kütson.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Die Niederrheinischen Sinfoniker beschlossen diese so in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Saison – Corona hat, zumindest zeitweise, alles verändert – mit einem bemerkenswert normalen Promenadenkonzert. Bemerkenswert normal? Was mag dies in diesem Zusammenhang heißen; und ist das gut oder schlecht?

Programmgestaltung sagt viel über das Selbstverständnis

Als man sich als Theater, Orchester und Dirigent entschloss, wieder zu spielen, natürlich unter den Bedingungen, die möglich waren, stand man vor nicht unkomplexen praktischen, aber auch künstlerischen Entscheidungen. Wollte man in dem Programm, das man spielen würde, die Corona-Krise, die Umstände und die Stimmung dieser Zeit spiegeln oder eher für entrückte Weltflucht mit heiter sanft besinnlicher oder entspannter Wohlfühlmusik sorgen? Würde man sich darum bemühen, die coronabedingten Umstände möglichst zu kaschieren oder offen mit ihnen umgehen, sie vielleicht selbst zum Thema machen? Würde man Arrangements nutzen, um großformatige Musik mit kleinformatigem Orchester spielen zu können oder auf ursprünglich schon für kompaktere Ensembles geschriebenes zurückgreifen? Und welche Art von Programmgestaltung sollte die Konzerte bestimmen? Ganze Sinfonien spielen oder Ausschnitte, Solistisches in den Fokus rücken oder das große Ganze?

Mihkel Kütson und seine Sinfoniker haben sich für eine Art Promenadenkonzert entschieden, das den Charakter, das Wesen der Sinfoniker perfekt spiegelt. Authentisch bleiben, nicht etwas sein wollen, was man nicht ist – und das ist sehr gut! Es zeigte sich, zum Profil des Orchester passend, eine gewisse künstlerische Entspanntheit, allerdings unter dem Primat einer ästhetischen Haltung.

Unterhaltsam, ja, aber mit künstlerischem Anspruch, Mainstream aus dem „Klassik“-Repertoire, ja, aber nicht nur. Und vor allem aus den Möglichkeiten das Bestmögliche herausholend Musik machen. Da sind sie wieder, die hervorragenden Musikanten-Qualitäten unseres niederrheinischen Orchesters. Normalität, nur mit mehr Abstand. Und ohnehin zeigte sich bei dem letzten Teil der Promenadenkonzerte, dass schon einiges möglich ist, woran vielleicht noch vor einigen Wochen nicht zu denken war. Musste im Publikum auch nach wie vor auf große Menschenmassen verzichtet werden, mussten auf der Bühne auch immer noch Abstände eingehalten und Bläser auch mal hinter Plexiglas versteckt werden. Aber alles wirkte deutlich pragmatischer, normaler. Wie eine sommerliche Gala hatten Kütson und seine Musiker das Programm für dieses Konzert zusammengestellt.

Fast schon ein bisschen stereotyp mit Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“ beginnend. Doch KV 525, ist es auch eines der abgespieltesten Werke Mozarts, ist eine hervorragende Visitenkarte. Ein Signal an das Publikum, schaut her, auch wenn wir weiter voneinander entfernt sitzen und die letzte Zeit so schwer für uns alle war, wir können nuanciert, feingliedrig, lebendig und vor allem mit einem aus einem Guss kommenden Streicherklang verzaubern. Und das können sie. Mit dem Adagio aus Mozarts Oboenkonzert, kultiviert gespielt von Yoshihiko Shimo, präsentierte man sich als warmherzige Begleiter. Vielleicht nicht ganz so luftig leicht, wie es möglich gewesen wäre. Nach stimmungsvollen, sehr eingängigen Stücken von Respighi und Saint-Saëns stand Rossini als Instrumentalkomponist im Fokus. Seine Oper kennen und lieben Freunde italienischen Musiktheaters, der Tempesta-Satz aus seiner Sonata a quattro Nr. 6 mag für viele eine Entdeckung gewesen sein. Jens Singer, Klarinettist, entzückte gemeinsam mit seinen Mitmusikern, großes Lob an alle Bläser, mit Rossinis „Introduktion, Thema und Variationen“. Nach einer berührenden Pavane von Fauré, bei der man auch bei einigen Künstlern innere Rührung spürte, auch als sie gerade nicht spielten, durften vier Hornisten des Orchesters auftrumpfen. Die Blechbläser hatten es unter den teilweise etwas schrägen Corona-Vorschriften für ihre Instrumentengattung sehr schwer. Haydns Sinfonie mit dem Hornsignal (Nr. 31) war entstanden, um Qualitäten einer Horngruppe herauszustellen. Nun erklang dessen erster Satz mit Spritz, Witz, Eleganz und Schmiss. Nicht nur auf der anderen Seite des Rheins können sie guten Haydn spielen. Auch hier klingt das schon recht überzeugend.

Als Zugabe sang schließlich nach herzlich tüchtigem Applaus noch bezaubernd klangschön formend Sophie Witte mit Orchester – das wirkte fast wie immer. Vieles ist unter aktuellen Bedingungen möglich, man muss es nur machen. Jetzt gehen alle in die heilige Spielzeitpause. Die nächste Saison wird bestimmt nicht ohne.

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