Ein Kontrast zur passiven Berieselung

Das Kresch-Theater eröffnet morgen mit „Wir alle für immer zusammen“ die Spielzeit auf der Studiobühne in der Fabrik Heeder.

Ein Kontrast zur passiven Berieselung
Foto: Thomas Weinmann

Anders als bei der allgemeinen Schulpflicht besteht kein „Theaterzwang“, wie ihn einst der Komiker Karl Valentin schon vergeblich forderte. Das Krefelder Kresch-Theater geht daher seit Jahren erfolgreich andere Wege, um Kinder und junge Erwachsene für Theater zu begeistern. Mit der Premiere des Stücks „Wir alle für immer zusammen“ von Guus Kujer wird morgen auf der Studiobühne I in der Fabrik Heeder, Virchowstraße 130, die Spielzeit 2017/18 eröffnet.

Auf einem überdimensionalen geöffneten Buch als originelles Bühnenbild von Frank Andermahr spielt die Geschichte von Polleke. Ein außergewöhnliches Mädchen mit dichterischen Ambitionen. In ihrem Leben verläuft nichts normal. Da ist ihr kiffender Vater, ihre komplizierte Liebe zu einem marokkanischen Jungen und die anstrengende Freundschaft zu Caro. Zu allem Überfluss sind ihre Mutter und ihr Lehrer auch noch ein Liebespaar.

Die Kostüme sind von Ingrid- Krusat-Dahmen entworfen und spiegeln das Bedürfnis von Jugendlichen wider, optisch möglichst nicht aus dem Rahmen zu fallen. Eine beliebte Uniform junger Menschen ist beispielsweise die Kapuzenjacke mit passender Kappe.

Mit nur drei Schauspielern, zwei Frauen und einem Mann, wird das Stück anrührend, knapp, jedoch nie oberflächlich erzählt. Dabei symbolisieren große hölzerne Buchstaben die vier Lebensbereiche, zwischen denen Polleke eingebunden ist: Familie, Schule, Natur und Welt. In der nur angedeuteten Realität soll die Vorstellungskraft der Zuschauer angeregt werden. Es ist eine Einladung zur „Lust an einer anderen Welt“, sagt Regisseur Helmut Wenderoth und es eröffne den Jugendlichen „Übergangswelten für Zuversicht“ in einer Welt zerfallender Werte, in der alte Familienmuster wie zum Beispiel die tägliche, gemeinsam eingenommene Mahlzeit längst überholt sind.

Der Intendant des Kreschtheaters, Michael Jezierny, nennt das Stück „eine kleine Schule des Sehens“ und meint damit eine differenzierte Erlebniswahrnehmung von Theater als Kontrastprogramm zur passiven Berieselung durch digitale Medien. „Theater darf im Kopf passieren“, erklärt er. Anders als beim Improvisationstheater möchte das Stück „Wir alle für immer zusammen“ allerdings eher konfrontieren als mit den Zuschauern interagieren. Fragen der Schauspieler, die kurzzeitig aus ihrer Rolle treten und an das Publikum appellieren, wie etwa „Ihr sitzt hier nur da, während Polleke verzweifelt. Wie würde es Euch dabei gehen?“ sollen bewusst im Raum stehenbleiben und zum Nachdenken anregen. Auch die aus Dresden stammende Literaturwissenschaftsstudentin Aleen Hartmann, die gerade beim Kresch ein Dramaturgie-Praktikum absolviert, nennt als vordringliche Aufgabe eines Jugendtheaters, die Jugendlichen anzusprechen, zu berühren, sogar zu schockieren. Dabei meint sie nicht nur den Überraschungseffekt plötzlich im Bühnenbild herumfliegender Buchstaben oder die drohende Poesiewelle, die angesichts von Pollekes wunderbarer Dichtungen über Krefeld schwappen wird. Sie selbst sei als Zuschauerin in einer der Bühnenproben in Tränen ausgebrochen.

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