Kunstmuseen Krefeld Drei Kurzgeschichten inspiriert von den Häusern Esters und Lange

Krefeld · Ein Sammlungssatellit in Buchform. Was wie eine Idee aus Corona-Zeiten wirkt, haben die Kunstmuseen schon lange geplant. Nun ist das Buch erschienen.

 Ein „Barcelona“ Sessel steht in Haus Lange von Ludwig Mies van der Rohe. Die Stimmung oder auch Geschichte der beiden Villen dienten nun als Inspirationsquelle für Kurzgeschichten von drei Autoren.

Ein „Barcelona“ Sessel steht in Haus Lange von Ludwig Mies van der Rohe. Die Stimmung oder auch Geschichte der beiden Villen dienten nun als Inspirationsquelle für Kurzgeschichten von drei Autoren.

Foto: dpa/Jana Bauch

Wüsste man es nicht besser, könnte man glauben, dass die Idee hinter dem 4. Sammlungssatelliten der Kunstmuseen Krefeld aus der Corona-Krise heraus geboren sei. Doch die Geschichte – später werden wir erfahren, dass es genaugenommen drei Geschichten sind – geht anders.

Zunächst ein Wort zum Konzept hinter diesen Sammlungssatelliten. Diese sind künstlerische Auseinandersetzungen mit der Sammlung auf Einladung der Kunstmuseen Krefeld. Im Falle der Häuser Lange und Esters wohl auch mit deren Geschichte, Architektur und Co. Der vierte dieser Sammlungssatelliten allerdings ist anders. Diesmal kann die Auseinandersetzung in die Hand genommen und durchgeblättert werden: Ein schön – sehr minimalistisch gestaltetes, zweisprachiges – Taschenbuch, das drei „Short Stories“, also Kurzgeschichten enthält. Daher auch der Name dieses Sammlungssatelliten „Short Stories für Haus Lange Haus Esters“.

Und da wäre die sonderbare Koinzidenz, auf die wir Eingangs referierten. Denn ein Buch ist schon gar nicht Corona-verdächtig und dass sich ein Autor durch eine Villa inspirieren lässt, dürfte auch unter strengsten „Quarantäne-Bedingungen“ irgendwie machbar sein. Doch so gut es auch in den Frühjahr 2020 passen mag, die Idee zu diesem Buch entstammt noch aus einer anderen Zeit; deutlich vor Corona. Vermutbar alleine schon wegen der Vorlaufzeit, die eine Publikation benötigt.

Die Texte sind fallweise ins Deutsche und Englische übersetzt

Nun ist das Buch verfügbar, mit Unterstützung der Sparda-Bank-West-Stiftung. Und darin drei wirklich unterschiedliche kurze Texte, lesbar auf Englisch und Deutsch, je nach Geschmack übersetzt. Den Anfang macht Marion Brasch mit einer mysteriösen Nacht-Geschichte. In „Der Gast“ beschwört sie die Geister von Mies van der Rohes Villen auf eine ganz unmittelbare Weise. Während sie im Gästezimmer einer Villa übernachten darf, wird die Erzählerin von sonderbaren Geräuschen geweckt. Eine nervöse Fliege, aber auch noch mehr versteckt sich im Haus. Ein Gast aus einer anderen Zeit, ein hinüber wehender Hauch der Aura dieser Bauten personifiziert durch einen Geist Mies van der Rohes, der offenbar bemüht ist, in diesem „Traum“ die „Ordnung“ seines Baus wieder herzustellen. Das plötzlich wieder aufgetauchte Mobiliar der Bewohner des Hauses herauszubefördern. Aufräumen mit Mies wird das Motto dieser Kurzgeschichte, die fast am Rande des Kitschs schürft, aber schöne Atmosphäre erzeugen kann.

Scheinbar deutlich nüchterner geht es der Däne Matias Faldbakken an. Ihn treibt in seinem Text einzig und allein der Backstein an. „Der glatte Backstein“ seziert förmlich die Backstein-Ästhetik der beiden Mies-Villen. Kritisch und zeitgleich mit einem Hauch von Fabulierlust erzählt der Schriftsteller und bildender Künstler in Personalunion die Geschichte des Backsteins im Allgemeinen und im Speziellen die Geschichte der Backsteine an den Häusern Esters und Lange. Dabei scheut er auch nicht davor zurück, Mythen zu entmystifizieren und Brüche aufzuzeigen zeitgleich, die sonderbare Geschichte der just an diesen Bauten genutzten Steine wie ein Mythos zu erzählen. Dabei wird es nicht nur um die Steine selbst und um die Frage ihrer Machart gehen, sondern auch um Krähen und Kafka – mehr sei nicht verraten.

Deutlich verrückter als in den beiden anderen Geschichten geht es in Mark von Schlegells Short Story „Das Haus der drei Seelen“ zu. Der in New York geborene Denker verfrachtet die Villen in das Jahr 2099. In einer irgendwie – je nach Perspektive – dystopischen Science-Fiction-Welt begegnen uns sonderbare Figuren, die Villen versehen mit künstlicher Intelligenz als Protagonisten unter einer Kuppel aus Biomembran. Dadaistisch im Spiel in einer exzentrischen satirischen Erzählweise. Etwas spröde.

Alle drei Geschichten allerdings laden ein, sich auch eigene Fantasien zu den Villen zu erträumen. Ein Besuch ist inzwischen wieder möglich. Vielleicht mit Buch in der Hand?

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