"Die Seidenbaronin": Aufstieg einer jungen Adeligen

Ein neuer Roman erzählt die Geschichte von Paulina von Gralitz, die im Crefeld der Franzosenzeit Karriere macht.

Krefeld. Es ist ein wunderbarer Schmöker von mehr als 500 Seiten, der am Montag bei Rowohlt erscheint: „Die Seidenbaronin“, der erste Roman der Moerser Autorin Martina Rauen, erzählt die Geschichte von Paulina von Gralitz.

Das junge Mädchen stammt aus verarmtem Adel und erhält von ihrer Tante, der Gräfin Bahro, die einmalige Chance, in Darmstadt bei Hofe eingeführt zu werden. Gegen den Widerstand ihres Großvaters und ihrer Erzieherin ergreift sie energisch und freudig die Gelegenheit.

Bereits im ersten Kapitel werden viele Handlungsstränge sichtbar, die im Laufe des Romans viel Spannung erzeugen und am Ende aufgelöst werden. Martina Rauen beschreibt interessante Charaktere, die in die Konventionen ihrer Zeit — nämlich in das ausgehende 18. Jahrhundert — eingebettet sind, deren Fühlen und Denken aber auch heute noch durchaus nachvollziehbar ist.

Besonders Paulinas Streben nach Unabhängigkeit macht sie zu einer bewundernswerten Figur. Über der persönlichen Ebene des Romans liegt die historische. Hier merkt der Leser deutlich, wie genau Martina Rauen sich in den Zeitläufen und den zeitgenössischen Gepflogenheiten auskennt, sich auch in Maßen der Sprache jener Zeit nähert.

Intriganten bei Hofe, schwächlicher Adel, schachernde Emporkömmlinge und ungemein stattliche Offiziere umgeben die reizenden Damen, die zwischen Selbstbestimmung und Selbstaufgabe hin- und hergerissen sind. Und auch weniger geachtete Schichten kommen vor: Paulina hat eine Schauspielerin in der Familie, die in der Gesellschaft — wie damals üblich — wenig gilt.

Mit der Heldin reist der Leser von Darmstadt über Frankfurt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin auch nach Crefeld, wie die Samt- und Seidenstadt damals noch geschrieben wurde. Denn es verschlägt Paulina nach „Erldyk“, auf einen verkommenen Adelssitz außerhalb der Stadt. Doch sie heiratet in eine Seidenweberfamilie ein und entfaltet dort ihre Talente.

Dass sie später die Geschäfte der Seidenweberei führt, hat mit der Französischen Revolution und der Franzosenzeit zu tun. 1804 war Napoleon in Crefeld, und es gibt eine wunderbare Szene im Buch, in der sie den Kaiser trifft. Leidenschaft und Liebe darf Paulina, wenn auch mit vielen Irrungen, ebenfalls erleben. So ist dieser Roman eine unterhaltsame und auch interessante Lektüre über die Zeitenwende von der Aufklärung zur Franzosenzeit — mit einem glücklichen Ende.

Das Buch erscheint am Montag im Handel: Martina Rauen: „Die Seidenbaronin. Historischer Roman“, Rowohlt 2012, 9,99 Euro (ISBN 978-3-499-25889-3).

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