Historisches : Die letzte Stadtschloss-Bewohnerin
Krefeld Das heutige Rathaus gehört bis ins 19. Jahrhundert den Seidenbaronen – Maria von der Leyen lebt bis zu ihrem Tod 1857 dort
Ein Hauch von romantischer Melancholie liegt über diesem Bild: Zwei Kinder spielen auf einer Wiese eines Parks. Bäume, Büsche und Blumen zieren die weitläufige, etwas verwildert anmutende Anlage, im Hintergrund ist ein herrschaftliches Haus zu sehen. Der Krefelder Kunstmaler Peter Feldmann (1790-1871) malte diese Szene, die die Gartenseite des Von-der-Leyen‘schen Schlosses in Krefeld im 19. Jahrhundert zeigt.
Die große Zeit der Seidenbarone neigte sich damals schon ihrem Ende zu, und in dem einst prächtigen Stadtschloss wohnte nur noch ein Familienmitglied: Maria von der Leyen (1768-1857). In ihren jungen Jahren war sie eine „moderne“ Frau. „Sie übte so ziemlich jede Beschäftigung aus, die einer Dame damals anstand, sie malte und zeichnete mit viel Geschick in Gemeinschaft mit dem Kunstmaler Feldmann, einem bekannten Krefelder Original, mit dem sie auch Studienreisen unternahm“, erinnert sich 1889 ihr Enkel, Karl von der Leyen. Im Vorhof des Schlosses hatte Maria sich in einem Zimmer sogar eigens ein Atelier eingerichtet.
Schloss entwickelt sich rasch zum gesellschaftlichen Treffpunkt
Als Maria 24 Jahre war, begannen an der westlichen Stadtmauer die Bauarbeiten für das klassizistische Gebäude, das die Krefelder bald das „Stadtschloss“ nannten. Der Architekt Martin Leydel schuf bis 1794 für den Kommerzienrat Conrad von der Leyen das repräsentative Haus, ein Meisterwerk der rheinischen Klassik.
Um einen Park anzulegen, erhielt von der Leyen sogar die Erlaubnis, die Stadtmauer an dieser Stelle einzureißen. An den Grenzen der Gartenanlage baute er eine neue Mauer auf. Das Schloss entwickelte sich rasch zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt. Die Von der Leyens begrüßten dort zahlreiche Gäste wie König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der bereits als Prinz dort weilte und wohl zu Maria ein gutes Verhältnis aufbaute. Das ging so weit, dass sie quasi als Diplomatin auftrat: Als sie hörte, zwischen Friedrich Wilhelm und dem Prinzen der Niederlande bestehe ein Zwist, lud sie beide kurzentschlossen ins Schloss ein. Dort verbrachten die Vettern vier Tage in freundschaftlichem Umgang miteinander.
Im September 1856 begegneten sich Maria und der preußische Monarch im Schloss dann zum letzten Mal.
Zu dieser Zeit muss es im Stadtschloss schon sehr still geworden sein. Wenn jemand Einlass in das Haus begehrte, verlor sich das Läuten hallend in den steinernen Fluren, wird berichtet. Der Fünf-Fenster-Saal im ersten Obergeschoss, der als Konzert- und Gesellschaftssaal genutzt wurde, diente nun dem Aufbewahren von Möbeln. Nur noch selten betrat Maria den Saal, weil die dumpfe Luft dort und die verhangenen Fenster nicht zu den früheren Festen passen wollten. Seit dem Tod ihrer Angehörigen, zuletzt eine Schwester, wohnte das „Fräulein“ Maria von der Leyen allein mit einigen Hausangestellten im Schloss. „Ihr Gärtner und Haushofmeister Diedrich, ihre Gesellschafterin Fräulein Müller und ihre Kammerjungfer Jeanette waren stadtbekannte Persönlichkeiten. Jeden Nachmittag wurde die Tante von ihrem alten, rheumatischen Kutscher Arnold in der Equipage mit zwei schweren Schimmeln spazieren gefahren“, erinnert sich Karl von der Leyen.