„Die Kultur macht den Menschen zum Menschen“

Der gebürtige Krefelder Holger Ehrich ist seit 2007 künstlerischer Leiter des Comedy Arts Festivals in Moers.

„Die Kultur macht den Menschen zum Menschen“
Foto: Mark Mocnik

Krefeld. Eine Menschentraube steht in der Fußgängerzone. Vor ihnen steht der Schweizer Komiker This Maag, der mit seiner lustigen Art und seinem beeindruckenden Hang zur Improvisation binnen weniger Sekunden eine Situation erkennt und diese für seine Stand-Up-Darbietung verwendet. Am Rande des Publikums steht ein weiterer Mann, der das Geschehen mit einem breiten Lachen verfolgt.

Ein Mann, der auf der einen Seite auch selbst oft im Rampenlicht steht und das Publikum zum Lachen bringt, und auf der anderen Seite im Hintergrund agiert, um solche Veranstaltungen überhaupt zu ermöglichen. Ein Mann, dessen Name am Niederrhein seit 2007 unmittelbar mit dem Comedy Arts Festival verbunden ist: Holger Ehrich.

Welchen passenderen Ort gäbe es für ein Gespräch mit dem künstlerischen Leiter des Festivals als im Rahmen der Straßentheatertage in Moers? Hier fühlt sich der gebürtige Krefelder zuhause. Bis zu seinem 20. Lebensjahr hat Ehrich in Krefeld gewohnt und dort die ersten Begegnungen mit der Kultur gemacht: „Ich habe zwar als Schüler nicht selbst Theater gespielt, aber die Krefelder Kulturwochen mitgegründet und da dann Blut geleckt“, erzählt der 49-Jährige. Lachend erinnert sich der Komiker, der ein Teil von „Duo Diagonal“ ist, an diese Zeit: „Ich habe keine Ahnung, wie wir das damals alles organisiert bekommen haben, denn das war schon echt ein riesiges Ding, das wir da als ahnungslose Schüler auf die Beine gestellt haben.“

Die Grundsteine für Ehrichs Feuer am Organisieren von Kulturveranstaltungen wurde damals entfacht. Und dieses Feuer ist in all den Jahren keineswegs erloschen, sondern loderte immer intensiver. Nach dem Abitur ging es für ihn erstmal für den Zivildienst nach Hamburg. Theater stand dort weniger im Vordergrund. „Rückblickend glaube ich, dass das gar nicht so schlecht war, denn so konnte ich das geregelte Berufsleben kennenlernen.“

Nach dem Zivildienst ging es für Ehrich nach Bochum. Dort studierte er Film- und Fernsehwissenschaft mit den Nebenfächern Germanistik und Theaterwissenschaften. Zu der Zeit begann er, selbst Theater zu spielen, und finanzierte sein Studium mit Kindertheater. Damals, Anfang der 90er, sei der Begriff Comedy erst wirklich entstanden: „Wir wussten damals selbst nicht genau, was wir machen. Kabarett war es nicht, Slapstick auch nicht. Wir bewegten uns dazwischen und haben im Endeffekt das gemacht, was heute als Comedy bezeichnet wird“, sagt Ehrich. Für ihn, der damals wie heute in Bochum wohnte, ergab sich Ende der 90er die Möglichkeit, ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen. Gemeinsam mit seiner Frau Deana Kozsey, Schauspielerin und Komikerin, entwickelte er das „Duo Diagonal“: „Im Grunde war das damals auch eine Lebensentscheidung. Ich liebte das Reisen, und wir hatten die Möglichkeit, auf vielen internationalen Festivals gemeinsam zu spielen.“

Wenn Ehrich vor der Wahl zwischen einer großen Veranstaltung vor Ort oder einer kleineren im Ausland stand, wählte er die kleinere: „Vielleicht ist das karrieretechnisch nicht immer das Schlauste gewesen, aber unsere Auftritte in Japan, Korea oder Rumänien waren unvergessliche Erlebnisse“, sagt er.

Seine Freude an der Kultur und all dem, was zu diesem Begriff dazugehört, ist nicht gestellt, sie kommt tief aus dem Inneren. Kein Wunder, ist er doch der Überzeugung, dass die „Kultur das ist, was den Menschen zum Menschen macht“. Wenn Ehrich von Kultur spricht, grenzt er nichts aus: „Für mich gehört die Oper genauso zur Kultur wie das Kino oder YouTube-Clips“, so der 49-Jährige, der sich selbst als Gegner eines zu engen Kulturbegriffs sieht. Um den anderen das näher zu bringen, ergriff der er 2007 seine große Chance: Er wurde künstlerischer Leiter des ComedyArts Festivals in Moers. „Ich kannte das Festival seit Langem, und es war der perfekte Zeitpunkt“, sagt der zweifache Familienvater, der fortan mehr Zeit zuhause verbrachte. In den ersten Jahren konnte er, dank seiner eigenen Tätigkeit als Komiker, viele seiner Wegbegleiter nach Moers holen: „Dadurch, dass ich jetzt auch immer noch spiele, bin ich tief in der Szene verwurzelt und hole manchmal Künstler nach Moers, bevor sie groß rauskommen, oder Künstler, die anderswo bekannt sind, aber in Deutschland noch nicht“, sagt Ehrich, der das Festival im elften Jahr leitet.

Ehrich ist der Auffassung, dass jeder Mensch ein kreatives Wesen sei und genau diese Kreativität den Menschen auch die Leidenschaft gebe, etwas zu entwickeln: „Wenn dieses Feuer nicht mehr brennt, ist es oftmals ein trauriges Leben“, findet er. Einen Teil der Leidenschaft hat er an seine Kinder weitergegeben, die mittlerweile vehement fordern: „Im nächsten Jahr muss es eine ,Duo-Diagonal’-Familienshow geben.“

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