Die Herrin der wertvollen Kleider im Textilmuseum

Jedes Stück landet zuerst bei Sabine Hassel. Stoffe sind ihr Leben.

Die Herrin der wertvollen Kleider im Textilmuseum
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Schachteln und Regale, Kartons und Kleiderständer: In Sabine Hassels Arbeitsraum hängen, stehen, liegen Gewebe, Kleidungstücke, Hüte und Schuhe, dass das Auge erst mal gar keinen Fluchtpunkt findet. Dann aber doch: Der Schreibtisch mit Computer und Telefon sieht ordentlich und übersichtlich aus.

Dort waltet Sabine Hassel ihres Amtes: Sie ist Inverntarverwalterin des Deutschen Textilmuseums (DTM). Geboren 1963 in Berlin, hat sie sich immer mit Stoffen und Geweben befasst. Deshalb jobbte sie mit 18 Jahren in einer Karstadt-Stoffabteilung. „Dann wusste ich, was ich wollte“, erzählt sie. „Ich habe mein Hobby, die Textilien, zum Beruf gemacht“. An der Fachhochschule in Mönchengladbach wurde sie zur staatlich geprüften Bekleidungstechnikerin.

Seit 1991 arbeitet sie nun im DTM und hütet die guten Stücke — zum einen mit den althergebrachten Inventarlisten auf Papier, zum anderen mit einem eigens umgestalteten Computerprogramm namens Faust. Darin können das Material, die Art der Verarbeitung, die Garne oder Details wie Knöpfe oder Schnallen aufgeführt werden.

Auch Herkunft und Hersteller werden eingepflegt, zum Beispiel bei fünf Entwürfen des Modeschöpfers Werner Lauer-Böhlendorff aus den 60er und 70er Jahren. Wenn an die Designerstücke Inventarnummern angeheftet sind, dürfen sie nur noch von den Fachleuten berührt werden und eigentlich nur noch mit Handschuhen.

Mit den Stücken von Lauer-Böhlendorff kennt Hassel sich aus: „Wir haben 48 Teile von ihm in unserer Sammlung.“ Der in Berlin geborene Modeschöpfer führte sein Modehaus nach dem Krieg an der Hohenzollernstraße. „Vielleicht hat ja noch jemand Stücke aus dem Atelier abzugeben“, hofft Sabine Hassel. „Dann könnten wir eine Ausstellung mit ihm machen.“

Die Menschen spenden gerne ans Museum: „Derzeit werden uns etwa 800 Stücke angeboten“, sagt Sabine Hassel. Bevor die in den Bestand eingehen, werden sie jedoch geprüft. Nach Qualität natürlich und danach, ob es Ähnliches schon gibt und damit eine Ergänzung oder eine Doublette ins Haus steht. Wird das Stück aufgenommen, muss eine Spendenanzeige beim Kämmerer erfolgen, denn jedes neue Stück erhöht den Wert des Magazins. Dann trägt Sabine Hassel das neue Stück in ein dickes grünes Buch ein — erst später wird der Inventarzettel ausgefüllt.

Dort steht dann auch, wer ein Kleid von welchem Modeschöpfer getragen hat oder wer die Stickereien wann in welchem Kloster angefertigt hat. Eine große Lupe hilft Sabine Hassel, der Blick in ein Fachbuch in der hauseigenen Bibliothek und natürlich ihr großer Erfahrungsschatz. Demnächst steht ein kleines Jubiläum an: der 30 000. Eintrag ins Inventarbuch.

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