THEATER Berührendes und beklemmendes Schicksal

„Die Gespräche der Karmeliterinnen“ mit ihrem Finale am Schafott haben im Theater furios Premiere gefeiert.

 Obwohl 16 Nonnen hingerichtet werden, spritzt in der Inszenierung am Theater Krefeld kein Blut.

Obwohl 16 Nonnen hingerichtet werden, spritzt in der Inszenierung am Theater Krefeld kein Blut.

Foto: Stutte, Matthias/© Matthias Stutte

Das wesentliche Ereignis der Oper „Die Gespräche der Karmeliterinnen“ von Francis Poulenc beruht auf einer wahren Begebenheit aus den Jahren der Französischen Revolution. Am 17. Juli 1794 wurden in Paris auf dem Place de la Revolution 16 Karmeliterinnen durch die Guillotine hingerichtet. Singend gingen die Nonnen, die ihr Ordensgelübde nicht brechen wollten, in den Tod.

Am Samstag feierte die Oper, die zu den bedeutendsten des 20. Jahrhunderts gezählt wird, in der Inszenierung von Rebecca und Beverly Blankenship im Krefelder Theater Premiere. Wie es durch das historische Ereignis bereits vorgegeben ist, spielen Frauen die Hauptrollen – allen voran die junge Adlige Blanche de la Force (Sophie Witte). Die Angst in Zeiten, in denen Angehörige des Adels und des Klerus verfolgt und hingerichtet werden, bestimmt auch die junge Frau. Sie hat ebenfalls Bedrohungen durch den Pöbel erlebt und entschließt sich, in den Karmel einzutreten. Doch das Kloster der Karmeliten ist in jener Zeit kein sicherer Ort.

Die Ängste und Zerrissenheit der Novizin setzt Witte sehr überzeugend in ihrer Rolle um – gesanglich wie schauspielerisch. Sie wird zur Schwester Blanche von der Todesangst Christi, so der Ordensname, den sie wählt. Viele Facetten des Seelenlebens der Klosterfrau werden anschaulich, können das Publikum berühren.

Mit großer Ausdrucksstärke stellt Kerstin Brix das qualvolle Sterben der Priorin Madame de Croissy dar. In den Augenblicken ihres Todeskampfes nutzt sie ihre letzten Kräfte, auch noch ihrem Amt zu genügen.

Mit ähnlicher Intensität, die von Verantwortungsgefühlen und Ängsten geprägt ist, stellen auch Janet Bartolova als neue Priorin und Eva Maria Günschmann als Novizenmeisterin Mère Marie ihre Rollen dar.

Fröhlichere Momente und Lichtblicke in diesen düsteren Alltag der Karmeliterinnen bringt zu Beginn der Oper die Novizin Constance, spielerisch wie überzeugend umgesetzt von Panagiota Sofroniadou (Mitglied im Opernstudio Niederrhein).

Obwohl unter erschwerten Bedingungen in Aktion, nämlich mit den Niederrheinischen Sinfonikern auf dem hinteren Teil der Bühne positioniert, hat der musikalische Leiter Mihkel Kütson die Aufführung im Griff. Das Orchester hat er in gewohnter Weise im Blick, doch die Sängerinnen und Sänger agieren hinter seinem Rücken und zwischen ihnen hängt auch noch ein großes Rollo (Bühnenbild  Christian Floeren). Trotzdem erlebt man die Akteure als eine sehr harmonisch agierende Einheit.

Mit den Kostümen schafft Gerti Rindler-Schantl zwei Ebenen, zum einen die der Nonnen und des Adels durch Gewänder mit historisierenden Elementen, zum andern die der Henkersknechte und Gefangenen, die den Bühnenboden reinigen müssen, in modernen beigen Overalls.

Den Klang eines Schafotts in Aktion trägt ein Schlagzeuger der Niederrheinischen Sinfoniker mit einem kreativen Instrumentenbau in der großen Schlussszene bei. Es ist ergreifend, wenn die Karmeliterinnen singen und eine nach der anderen mit dem Klang des Fallbeils zu Boden sinkt.

Kein Blut spritzt; die Inszenierung, die Wesentliches in subtiler Form darstellt, bleibt dieser Maxime bis in die brutalsten Vorgänge treu. Nachdem auch Blanche als letzte der 16 Märtyrerinnen singend gestorben ist, wird der Bühnenraum abgedunkelt. Es herrscht eine beklemmende Atmosphäre und Stille, in der ein Applaus unangemessen erscheint.

Doch dann entwickelt sich dieser in einem deutlichen Crescendo und das Premierenpublikum lässt seiner Begeisterung freien Lauf.

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