Die ganze Welt des Jazz zum Anfassen

Nach dem Frankfurter Jazzkeller der zweitälteste seiner Art: Der Jazzkeller Krefeld wird 60 Jahre alt.

Die ganze Welt des Jazz zum Anfassen
Foto: Archiv Jazzklub Krefeld

Krefeld. Applaus zum 60-jährigen Jubiläum gab es für den Jazzkeller verfrüht im vergangenen Herbst. Im Oktober 2017 verlieh Monika Grütters, Staatsministerin des Bundes für Kultur und Medien, in Dresden zum fünften Mal die „Auszeichnung der Programmplanung unabhängiger Spielstätten“ — kurz Applaus, und der Jazzkeller gehörte zu den Gewinnern der Kategorie I. Das waren bundesweit nur 23 Clubs, die als Voraussetzung im Jahr 2016 mindestens 104 Konzerte gestemmt haben mussten. Lohn der Mühen: jeweils 40 000 Euro.

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Foto: Archiv Jazzklub Krefeld

Ehre, wem Ehre gebührt, muss man in diesem Fall feststellen. Denn der Jazzkeller unter der Lohstraße, dessen Pforte der Student Hans-Josef Dillmann am 10. April 1958 zum ersten Mal öffnete, ist nach dem Jazzkeller in Frankfurt (1952) die zweitälteste deutsche Musikkneipe dieser Art, die seit Bestehen kontinuierlich in Betrieb ist — und sie findet sich eben nicht in Berlin, München oder Hamburg.

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Foto: Archiv Jazzklub Krefeld

Die Wirte des Kellers sind seit 2006 Bernhard Bosil und Jeanette Wolff. Damit betreiben sie den Keller schon seit zwölf Jahren, das heißt: länger als alle Vorgänger — und offenbar auch am erfolgreichsten. Schon zum 50-jährigen Jubiläum 2008 hatte der Ehrenvorsitzende des Jazzklubs Krefeld, Günter Holthoff, attestiert: „Der Jazzkeller erlebt eine neue Blüte“, was er auf Bosil und Wolff zurückführte.

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Foto: Archiv Jazzklub Krefeld

Die Geschichte des Jazzkellers und des 1979 gegründeten Jazzklubs sind untrennbar miteinander verbunden. So ganz rund wollte der Betrieb im Keller über die Jahrzehnte und mit zahlreichen Wirten eben nicht immer laufen. In den 1970er Jahren schien es ratsam, den Geschäftsbetrieb (Kneipe) und den ideellen Betrieb (Veranstaltung von Konzerten) erst einmal zu trennen. Der eingetragene Verein Jazzklub Krefeld erhielt und erhält Unterstützung durch das Kulturbüro der Stadt, kann Spenden entgegennehmen, und die Gagen der Musiker müssen nicht mehr aus der Bierkasse finanziert werden.

Günter Holthoff ist ein „Kellerkind“ von Beginn an. In den 1960er Jahren avancierte der Vollblut-Jazzfan zum „Programmdirektor“. Da stieg die Prominenz der deutschen Szene die Kellertreppe hinab, von Klaus Doldinger bis Albert Mangelsdorff, von Volker Kriegel bis Manfred Schoof. Und die „jungen Wilden“ vom Stadttheater um die Ecke — Regisseur Hans Neuenfels etwa oder der spätere James-Bond-Bösewicht Gottfried John — tranken hier ihr Altbier.

„Ganz vorsichtig“ habe er dann modernere Bands in den Jazzkeller geholt, erzählt Holthoff. So vorsichtig war er wohl doch nicht. Denn der Jazzkeller wurde zu einer „Hexenküche des Free Jazz“. Irene Schweizer, Alexander von Schlippenbach oder Gunter Hampel kamen hierher. Aber auch die Liste der internationalen Stars ist lang: Ben Webster, Johnny Griffin, Chet Baker, Gary Burton, John Scofield, Jasper van’t Hof, Dave Holland und viele mehr spielten im Keller.

Andere Gäste waren der Moerser Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, der vor ausverkauftem Haus seinen niederrheinischen Humor bewies. Der junge Pianist Helge Schneider, noch unbekannt und nicht als Komiker unterwegs, aber verliebt in eine Krefelderin, trat im Keller auf, und vor ihm auch Udo Lindenberg, auch er damals noch kein Star, aber dafür ein begabter Schlagzeuger.

Und dass Ralf Hütter, der Mitgründer der legendären Band Kraftwerk, gebürtiger Krefelder ist und mit seiner Band Organisation, dem Vorläufer von Kraftwerk, ebenfalls im Keller spielte, ist nur eine weitere von vielen Fußnoten in der Geschichte des unterirdischen Musiktempels Jazzkeller.

Namen über Namen könnte man hier aufzählen, Anekdoten zuhauf berichten. Man muss es nicht, denn zum 50-jährigen Jubiläum des Jazzkellers haben Holthoff und der 2017 verstorbene Musikjournalist Mojo Mendiola den wunderbaren Schmökerband „50 Jahre Jazzkeller Krefeld“ herausgebracht. Antiquarisch er immer noch zu bekommen.

Am Anfang auch traditioneller Jazz, später auch Blues und Folk — im Jazzkeller fanden immer mehrere Stile ihren Platz. Der Jazzklub veranstaltet im Keller regelmäßig seine Konzerte, eine eigene Sessionreihe und ist beteiligt an der Sessionreihe Jazzattack. Bosil und Wolff selbst lassen die Reihen Go Music (Martin Engelien), Funk Aua (Michael Mertens) und Andy Pilgers Funky Friday laufen, laden selbst Bands verschiedener Stile ein und geben immer wieder lokalen Bands ein Forum.

Und zumindest bei den Jazzklub-Konzerten ist auch Günter Holthoff immer noch dabei, trotz seiner 81 Lebensjahre. „Im schönsten Konzertsaal der Welt kann man die Musik nicht so intensiv erleben wie im Jazzkeller“, sagt er. „Nur hier kommt man den Musikern so nahe.“

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