Die fast vergessenen Werke von Adolf Höninghaus

„Der unersättliche Blick“ heißt die Ausstellung über den Krefelder Künstler, die morgen im Kaiser-Wilhelm-Museum eröffnet wird.

„Der unersättliche Blick“ heißt die Ausstellung im Kaiser-Wilhelm-Museum.

„Der unersättliche Blick“ heißt die Ausstellung im Kaiser-Wilhelm-Museum.

Jahrzehntelang haben seine Werke im Depot geschlummert, jetzt werden sie im Kaiser-Wilhelm-Museum auf eindrucksvolle Weise präsentiert. „Wir erwecken ihn zum Leben“, sagt Sylvia Martin, stellvertretende Museumsdirektorin, über den Krefelder Maler Adolf Höninghaus (1810-1882). Martin ist auch Kuratorin der Ausstellung „Der unersättliche Blick“, mit der ab morgen (Eröffnung 19 Uhr) der nahezu vergessene Künstler gewürdigt wird.

Die Schau, die sich über mehrere Räume im ersten Obergeschoss erstreckt, ist auch der Auftakt einer neuen Phase der Präsentation. „Ab jetzt gibt es eine Mischkonstruktion aus der Sammlungspräsentation und einer Sonderausstellung“, sagt Museumschefin Katia Baudin.

Im Fall von Höninghaus ist die Verzahnung besonders eng. Seit seiner Gründung 1897 befindet sich der umfangreiche Nachlass des Krefelders im Bestand des Kaiser-Wilhelm-Museums. Um die zweitausend Werke sind es, wobei der Schwerpunkt auf Zeichnungen und Ölskizzen liegt. Aus diesem üppigen Konvolut hat Sylvia Martin 270 Arbeiten ausgewählt, die durch Gemälde von Zeitgenossen ergänzt werden. Inhaltlich unterstützt wurde sie von Martina Sitt, Professorin an der Universität Kassel und Spezialistin für die Düsseldorfer Malerschule, zu der auch Höninghaus zählt. Ihre Forschungsergebnisse werden in dem Katalog vorgestellt. Die Ausstellung selbst ist eine prächtige Schau, die nicht nur das Auge erfreut, sondern auch viel über das Leben und Werk des Künstlers vermittelt.

Der gebürtige Krefelder studierte in Düsseldorf bei Johann Wilhelm Schirmer, der damals an der Akademie die erste Klasse für Landschaftsmalerei leitete. Dieses Genre entwickelte sich im frühen 19. Jahrhundert zunehmend zu einer eigenständigen Gattung. Die Landschaft wurde nicht mehr nur als Staffage für religiöse oder mythologische Szenen gesehen, sondern wurde selbst Thema. Schirmer ging mit seinen Studenten in die Natur hinaus, wo sie vor Ort Motive studieren konnten und diese mit naturwissenschaftlichem Anspruch festhielten. Das nahe gelegene Neandertal oder die Eifel waren beliebte Ziele für diese Studien.

Die vielen kleinformatigen Ölskizzen und Zeichnungen, die jetzt zu sehen sind, vermitteln einen intensiven Eindruck von der großen, fast fotografisch anmutenden Präzision, mit der Höninghaus sich einzelnen Pflanzen oder Gesteinsformationen widmete. „Er war ein zeichnender Forscher“ sagt Martin.

Das Arbeiten in der Natur, verbunden mit vielen Reisen, wurde zum Leitfaden in Höninghaus’ Leben. Wie die meisten Künstler seiner Zeit gehörte zu den Reisen auch die sogenannte „Grand Tour“ nach Italien. So ist neben den heimischen Motiven auch ein großer Teil der Ausstellung den Ansichten aus dem südlichen Sehnsuchtsland gewidmet. Eines der wenigen bekannten Gemälde von Höninghaus zeigt die Ansicht von Capri. Die daneben gehängten Skizzen zeigen, wie der Künstler zuerst einzelne Motive in unterschiedlichen Lichtstimmungen festhielt, um sie dann zu einem großen Bild zusammenzufügen. Die Fokussierung auf Details ist immer wieder zu beobachten, bewusst werden ganze Bereiche einer Zeichnung unvollendet gelassen.

Sehr reizvoll ist auch die Verwendung verschieden farbiger Papiere. Dabei wird manchmal die Farbe des Papiers in die Komposition miteinbezogen. Nach seiner Italienreise, die ihn bis nach Sizilien führte, ließ Höninghaus sich in Dresden nieder. Auch von dort aus bereiste er die Umgebung, war bis nach Böhmen unterwegs, dabei sehr oft zu Fuß. 1882 verstarb der Künstler in seiner Heimatstadt. Der Höhepunkt in seinem Leben war die Zeit in Italien und hier knüpft die Ausstellung einen originellen Bezug zu einem Künstler der Gegenwart. Bevor der Besucher den Bildern von Höninghaus begegnet, trifft er im ersten Saal auf eine Installation des britischen Konzeptkünstlers Victor Burgin (Jahrgang 1941). „Voyage to Italy“ heißt seine 2006 entstandene Arbeit, die von einer historischen Reisefotografie ausgehend, eine faszinierende Collage aus Film und Ton entwickelt.

Das Foto von 1864 zeigt eine Touristin in den Ruinen einer Basilika in Pompeij. In seinem Video wiederholt Burgin filmisch die Positionen von Touristin und Fotograf und verbindet das Ganze mit einem Ton- und Bildfragment aus dem 1953 entstandenen Film „Voyage to Italy“ von Roberto Rossellini.

Die Historie des Ortes und der emotionale Gehalt des Films, in dessen Mittelpunkt eine Ehekrise steht, verbinden sich zu einer ganz speziellen Sichtweise auf den Mythos Italien. Ein Kontext, der überzeugt und auch Höninghaus’ Werk näher in die Gegenwart holt. Sein eigenes Italienbild kann der Besucher dann im neu gestalteten Studio 2 machen: ein Selfie vor einem vergrößerten Italienmotiv des Künstlers.

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