Pianist Ramón Valle Der Star glänzte erst nach der Pause

Das Trio des kubanischen Pianisten Ramón Valle begeisterte in der jüdischen Gemeinde.

Pianist Ramón Valle: Der Star glänzte erst nach der Pause
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Stehende Ovationen gab’s am Schluss für Ramón Valle und sein Trio im Saal der Jüdischen Gemeinde an der Wiedstraße. Der aus Kuba stammende Jazzpianist hatte offenbar den Nerv seines Publikums getroffen. Zumindest für den zweiten Teil des Konzerts in Kooperation mit dem Jazzklub Krefeld konnte man die Stärke des Beifalls auch nachvollziehen, im ersten Set lief längst nicht alles rund.

Lässt man einmal die Farbigkeit beiseite, die sich schon dadurch ergibt, dass Valles Musik oft genug afro-kubanische und lateinamerikanische Einflüsse aufnimmt, dann ist sein Spiel formal eher konventionell, dem Modern Jazz verhaftet. Das heißt technisch: Die Hauptlast der Arbeit liegt bei der rechten Hand, die möglichst schnell perlende Läufe produziert, während die linke entweder nur Akkorde spielt oder auch gar nichts tut.

Auf die durchaus virtuose Fähigkeit seiner rechten Hand kann sich Valle verlassen, er ruhte sich im ersten Teil des Konzerts aber auch zu sehr darauf aus. Zu oft reihte er ein bekanntes Pattern ans nächste oder ließ die Finger auch nur laufen. Da, wo Valle bei einer langsamen Ballade auf das Blendwerk der perlenden Läufe verzichten musste, schob er ein Spannungsloch ans nächste. Wie gut, wenn man dann solche Mitstreiter hat.

Kontrabassist Omar Rodriguez Calvo und Schlagzeuger Liber Torriente hielten das Trio im ersten Teil auf Kurs. Die zahlreichen Soli von Calvo lebten von einem sehr vollen, sehr warmen Ton, einer fürs Instrument nicht üblichen virtuosen Geläufigkeit und vor allem einem überdurchschnittlichen Gespür für Melodien. Calvo erspielte sich immer wieder Szenenapplaus.

An Torriente war erfrischend, dass er nicht einfach durchgehende Grooves spielte, sondern einerseits sehr wohl Latin- und afro-kubanische Bezüge durchscheinen ließ, andererseits sein Spiel durch vielfältige Akzentuierungen, Verschiebungen und variantenreiche Breaks auflockerte, womit er auch sehr flexibel auf seine Partner eingehen konnte.

Im zweiten Set gelang Pianist Valle vieles besser. Über Leonard Cohens bekannten Song „Halleluja“ etwa improvisierte Valle kaum, sondern schuf atmosphärisch dichte Variationen, bei denen die Wiederholungen keineswegs erschöpfend wirkten. In einem anderen Stück trieb Valle sein Spiel mit der Repetition einer Phrase so weit, dass das Spiel des ganzen Trios ekstatische Sogwirkung entfaltete.

In einer mittelschnellen Nummer ließ sich Valle dann nicht mehr vorwärtstreiben, sondern setzte gegen das flirrende Spiel seiner Rhythmusgruppe eine getragene Melodie und baute damit eine ungeheure Spannung auf.

Weniger bekannte Spielmuster, mehr konturierte Läufe, bewussterer Umgang mit Melodien, dazu ein (etwas) offenerer Umgang mit Tonalität und das ein oder andere Mal komplexere Harmonien und Akkordschemata — musikalisch war das Spiel Valles im zweiten Set so ansprechend, wie man es von einem Musiker mit seiner Wertschätzung erwarten darf. Viel, viel Applaus bis hin zu stehenden Ovationen. Eine Zugabe gab es dafür als Gegenleistung.

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