Theater Krefeld „Der Meister und Margarita“ spannt Bogen zu weit

Krefeld · Die Dramatisierung des Bulgakow-Romans ist zwar zu keiner Sekunde langweilig, doch sie lässt ratlos zurück.

 Die Regisseurin Zara Antonyan hat aus dem Romanklassiker einen Bilderbogen geschaffen, der nun in Krefeld Premiere feierte.

Die Regisseurin Zara Antonyan hat aus dem Romanklassiker einen Bilderbogen geschaffen, der nun in Krefeld Premiere feierte.

Foto: © Matthias Stutte

Gleich elf Akteure auf der Bühne, die meisten stemmen mehrere Rollen. Und die Theatermaschinerie arbeitet ohne Unterlass. Ständig gleiten Hubböden auf und ab, fahren neue Kulissen aus dem Bühnenhimmel, bringen Videoprojektionen Farbe und zusätzliche Bewegung ins Spiel.

Die aus Eriwan (Armenien) stammende Regisseurin Zara Antonyan hat für das Theater Krefeld den Romanklassiker „Der Meister und Margarita“ des russischen Autors Michail Bulgakow dramatisiert und inszeniert. Dabei herausgekommen ist ein praller Bilderbogen, der zu keiner Sekunde langweilt und einen doch ratlos zurück lässt.

Bulgakow hat an seinem Roman zwischen 1928 und 1940 gearbeitet. Er führt in die Zeit des Stalinismus, also in eine mörderische Diktatur. Die Titelfigur des Meisters ist ein namenloser Autor, der einen Roman über Pilatus geschrieben hat, den römischen Statthalter in Judäa, der Jesus Christus zum Tode verurteilte. Dieser Roman im Roman wird auf der Bühne zum Stück im Stück.

Als Bindeglied zwischen den Ebenen fungiert der Magier Woland, von Bulgakow an den Mephisto Goethes angelehnt. Der reist natürlich auf ewig durch die Zeit, kann etwa den beiden russischen Autoren, die zu Beginn des Stücks diskutieren, ob Jesus wirklich gelebt hat, einfach entgegenhalten: „Ich sage Ihnen, Jesus hat existiert.“

Worum es Roman und auch Stück geht, lässt sich hier nur knapp umreißen. Es geht um das Leben in der Unfreiheit einer Diktatur, um das Scheitern der Menschlichkeit an der Gewalt, um Schuld und Vergebung, um Liebe und Feigheit. Auffällig oft wird erwähnt, dass „Feigheit eine der schrecklichsten Sünden“ sei.

Adrian Linke spielt den Pilatus und den Meister, die beide für sich scheitern, weil sie sich dem System beugen. Pilatus gibt Jesus (Philipp Sommer) seinem Schicksal preis, weil er erkennt, dass der mit seiner Botschaft die staatliche Gewalt negiert, und der Meister verbrennt seinen Roman, als ihm nach der Vorveröffentlichung eines Kapitels staatlich gesteuerte Verrisse von vornherein den Erfolg verwehren.

Der Abend spannt einen großen Bogen — wie gesagt — mit vielen Bildern, witzigen und surrealen Einfällen, teils imponierender Technik. Er arbeitet szenisch, aber auch mit vielen erzählerischen Elementen, die als Bindeglieder fungieren, letztere meist vorgetragen von Esther Keil als Schauspielerin.

Vieles gelingt bis ins Detail, auch wenn man so manches Detail nicht begreift, letztlich scheitert der Abend dann daran, dass er ständig versucht, sein Breitwandformat zu füllen. So agieren die Schauspieler zu oft im Dialog aneinander vorbei, indem sie in weiter Distanz zueinander stehen und gewissermaßen parallel ins Publikum sprechen.

Szenische Verdichtung scheitert hier, weil man offenbar zu sehr das Gelingen des Bildes im Ganzen im Blick hatte. Auch entwickeln sich so die Figuren kaum, fast alle halten den zu Beginn eingeschlagenen Grundton durch. Woland (Paul Steinbach) etwa, der mit Schlapphut, dunkel geschminkten Augen und pittoresk kostümierter Outlaw-Bande auftritt, bleibt von Anfang bis Ende ein zynischer Spaßbold, der zu allmächtig über den Dingen steht. Einzig Margarita (Vera Maria Schmidt), die Geliebte des Meisters, rührt einen mit der Unbedingtheit ihres Liebeswillens ein wenig an.

Die Kostüme (Petra Wilke) sind vielfältig, das Bühnenbild (Dirk Sesemann) hält viele Überraschungen bereit, das Musikkonzept ist stimmig, das Videokonzept (beides Stephen Ochsner) ist teils beeindruckend. Bei den Darstellern ist kein Ausfall zu beklagen, und auch Regisseurin Zara Antonyan muss gelobt werden. Sie hält die Inszenierung über drei Stunden so im Fluss, dass Langweile eben nicht aufkommt. Nur hätte die Dramatikerin Antonyan sich als Regisseurin den Gefallen tun sollen, die Vorlage straffer zu gestalten. Dann könnte man nach diesem Kraftakt von Inszenierung vielleicht mit mehr als dem Gefühl nach Hause gehen, gut unterhalten worden zu sein.

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