Der kleine Barbier: In der Oper kriegen Kinder einen Fön

Mit viel Mut zum Blödsinn stürmt das Stück die Fabrik Heeder. Die Zuschauer sind mittendrin statt nur dabei.

Krefeld. Der tänzelnde Friseur sieht aus wie eine Mischung aus Tina Turner und Bill von Tokio Hotel, aber er klingt deutlich besser. Bariton Tim Stekkelies ist stimmlich auf der Höhe und mausert sich in der Titelrolle der Oper „Der kleine Barbier oder Eine haarige Angelegenheit“ zum Gute-Laune-Bär und Liebling der Kinder.

Leider bekam das gestern kaum jemand mit, die Premiere in Heeder war schwach besucht. Das Experiment des Stadttheaters, im Frühjahr ein weiteres Kinderstück anzubieten, scheint gescheitert — Schulen und Kindergärten ziehen nicht recht mit.

Künstlerisch ist der Feldversuch jedoch gelungen. Die Übernahme vom Staatstheater Nürnberg bringt eine interessante Farbe ins Krefelder Kulturleben: die Oper als in jeder Hinsicht kleine Form, ganz nah am Publikum.

Genau das ist auch die Stärke dieser kindgerecht gestrafften und modernisierten Fassung von Rossinis „Barbier von Sevilla“. Sie bezieht die Kinder in wunderbarer Weise mit ein, macht sie zu Komplizen, wenn sie Rosinas Liebesbrief verstecken müssen, verwandelt sie in Flamenco-Tänzer und lässt sie am Schluss sogar eigenhändig den Bösewicht vertreiben — mit Föns, die ihn in Windeseile von der Bühne pusten, und einem Gewitter trampelnder Füße.

Rosinas Vormund Dr. Bartolo (Matthias Wippich) ist dieser Unsympath. Der blasse Bürokrat, der zwischen tausenden Aktenordnern sein Leben fristet (Ausstattung: Christine Knoll), hat ein Auge auf sein Mündel geworfen. Dabei hat die rosa Rebellin Rosina (Susanne Seefing) ihr Herz an Almaviva (Markus Heinrich) verloren, der mit Hilfe des findigen Figaro den Rivalen austrickst.

In diesem Verwirrspiel scheut Regisseur Ulrich Proschka keine Slapstick-Nummer, und er kann dabei auf ein spielfreudiges Ensemble zählen. Neben dem Barbier sorgt vor allem Wippich für Glanzlichter, seine Mimik würde jedem Disney-Schurken zur Ehre gereichen. Die Rossini-Melodien, witzig betextet und voller ironischer Anspielungen, sorgen für ordentlich Schwung, obwohl unter der Leitung von Karsten Seefing nur vier Musiker spielen.

Oper — das geht auch mit wenig Aufwand und viel Mut zum Blödsinn. Dranbleiben, will man dem Theater zurufen. Neue Ideen sind halt wie neue Frisuren: Man muss sich erst dran gewöhnen.

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