Das Scheitern des Unangepassten

Frank Hänig bringt Büchners Erzählung über den Sturm-und-Drang-Dichter Lenz im Glasfoyer des Theaters auf die Bühne.

Krefeld. "Das ist Literatur des 21. Jahrhunderts", sagte Heiner Müller über "Lenz". Die Erzählung, die der 22-jährige Georg Büchner 1835 schrieb, gilt als Beginn der modernen Literatur. Zugleich steckt in dem Stoff viel von der Gedankenwelt des Sturm und Drang. Der Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz war ein Jugendfreund Goethes. Später kam es zum Zerwürfnis zwischen den beiden Männern. Während Goethe in Weimar Erfolge feierte, scheiterte der unangepasste Lenz als Dichter und Mensch.

Das zeitlose Thema des an sich selbst und den Verhältnissen scheiternden Künstler macht für Frank Hänig die Faszination des Stoffes aus. Der Ausstattungsleiter des Theaters hat gemeinsam mit Dramaturg Martin Vöhringer eine Dramatisierung vorgenommen, die am 18. November im Glasfoyer Premiere hat.

Hänig, der seit vielen Jahren auch als Regisseur arbeitet, hat selbst die Inszenierung und Ausstattung vorgenommen. Als dramatischen Kunstgriff bringt er neben Lenz zwei weitere Figuren ins Spiel. Goethe, der in der Erzählung nur einmal kurz erwähnt wird, bildet hier als erfolgreicher Dichter den Gegenpart.

Zwischen den beiden Männern steht Friederike Brion, in die - historisch belegt - beide verliebt waren. Hänig interessiert dabei nicht das Klischee der Dreiecksbeziehung, er gibt der jungen Frau ein eigenes Profil. "Sie wird Lieder aus Franz Schuberts Winterreise singen" erzählt der Regisseur. Büchners Text und die Lieder Schuberts sind für ihn Seelenverwandte. Obwohl Kürzungen notwendig waren, sind zwei Drittel des Textes verarbeitet worden.

So kommt neben den eindrucksvollen Naturschilderungen auch die berühmte Kunstdebatte vor, bei der Büchner durch Lenz seine eigenen Anschauungen vermittelt. "Lenz war hyperbegabt und litt aus heutiger Sicht unter Schizophrenie" sagt Hänig.

Diese Gratwanderung sichtbar zu machen, sei für einen Schauspieler eine große Herausforderung meint der Regisseur. Felix Banholzer ist für ihn die ideale Besetzung, ebenso Daniel Minetti als Goethe und Felicitas Breest als Friederike.

In der empfindsamen Figur des Lenz steckt für Hänig auch etwas von Goethes Werther und von Künstlern wie Kurt Cobain. Auf eine konkrete Aktualisierung hat man aber bewusst verzichtet.

Erstmal wird das Publikum das Glasfoyer anders als bei den Matineen als eigenständigen Bühnenraum erleben können, bei dem die unterschiedlichen Schauplätze der Erzählung vom Gebirge bis zum Zimmer lebendig werden.

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