Das Erbe eines Weltstars

Ein Film über die Häuser Lange und Esters wird am Geburtstag Mies van der Rohes im Internet präsentiert.

Krefeld. „Ein Drittel unserer Besucher sind reine Architekturfreunde aus aller Welt.“ Das sagt Martin Henschel, Direktor der Krefelder Kunstmuseen. Er meint die Besucher der Häuser Lange und Esters an der Wilhelmshofalle. Haus Lange wird seit 1955 für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst genutzt, Haus Esters seit 1981. Am Sonntag hätte ihr Architekt, der 1886 in Aachen geborene Ludwig Mies van der Rohe, seinen 125. Geburtstag. Aus diesem Anlass zeigt der Verein „Projekt MIK — Mies van der Rohe in Krefeld“ erstmalig den Film „Häuser Lange Esters“. Die Premiere findet im Internet unter der Adresse www.builtby.tv statt.

Mies van der Rohe gilt als Schlüsselfigur der Architektur des 20. Jahrhunderts. Nirgendwo sonst in Europa sind so viele seiner Bauwerke erhalten geblieben wie in Krefeld. Die Textilfabrikanten Hermann Lange und Josef Esters hatten ihre Villen 1927 bei ihm in Auftrag gegeben, 1930 wurden sie fertiggestellt. Mies van der Rohe hat hier noch ein Fabrikgebäude für die Textilfirma Verseidag realisiert, mutmaßlich geplant hat er auch das Haus Heusgen am Hülser Berg.

Im Film „Häuser Lange Esters“, dessen Skript der Journalist Helge Drafz verfasst hat, kommen die Kunsthistorikerin Christiane Lange, Urenkelin von Hermann Lange, Museumsdirektor Martin Henschel und der Krefelder Architekt Klaus Reymann zu Wort. Reymann hat die Häuser zwischen 1998 und 2000 saniert.

Lange ist Vorsitzende des Vereins „Projekt MIK“. Dessen Ziel: das Bewusstsein für das „hochkarätige Erbe“, das die Mies-Bauten in Krefeld darstellen, neu zu wecken. Der Film über die Häuser Lange und Esters stellt den Auftakt einer ganzen Reihe von Aktivitäten des Vereins dar.

Reymann, der die Gebäude umfänglich studiert hat, sagt über sie: „Das sind die wichtigsten Gebäude an der Nahtstelle zwischen Tradition und Moderne.“ Lange räumt ein, dass Mies van der Rohe, der beim Bau der Häuser seinen Weltruhm noch vor sich hatte, hier wohl noch Kompromisse machen musste. Sein „Konzept des offenen Raums“ konnte er nicht durchdringend verwirklichen. Die Auftraggeber bestanden schlicht auf Türen für die Zimmer. Dafür konnte Mies van der Rohe aber große Fenster durchsetzen, die das Innere der Bauten zur Umgebung öffnen.

Verborgen bleibt dem Betrachter, dass der Architekt auch diese Wohnbauten schon mit Stahlgerüsten versehen hat. Durch diese bis heute übliche Vorgehensweise wird das Mauerwerk teils von seiner tragenden Funktion entbunden, so dass die Räume großzügiger zugeschnitten werden können.

Viele Künstler der Avantgarde wurden vor allem im Haus Lange erstmalig einem deutschen Publikum präsentiert. Der Film erinnert etwa an Yves Klein, Jean Tinguely oder Marcel Duchamp. Und nicht wenige Künstler sind mit der Architektur in Dialog getreten. Die Gruppe Haus-Rucker-Co überspannte 1971 das Haus Lange mit einer Traglufthalle, im gleichen Jahr hat Christo die Fußböden mit Tüchern verpackt.

Im Frühjahr 2009 sorgte John Baldessari für Aufsehen. Indem er die Fenster mit Folie überklebte, kehrte er Mies van der Rohes Konzept komplett um. „Ich glaube, Mies würde sich im Grabe umdrehen“, kommentiert das im Film schmunzelnd Christiane Lange. Vielleicht hätte es den großen Avantgardisten der Architektur aber auch amüsiert.

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