Jazzklub Krefeld Das bringt der Jazzherbst

Krefeld · Am Sonntag ist, trotz Corona, Auftakt der Reihe in der Kulturfabrik mit dem Angelika Niescier Trio. Wir beleuchten die Besonderheiten dieser Saison.

 Saxofonistin Angelika Niescier kommt mit ihrem Trio zu dem ersten Konzert des Krefelder Jazzherbstes in die Kulturfabrik. Das Konzert am Sonntag findet mit einem besonderen Corona-tauglichen Hygienekonzept statt.

Saxofonistin Angelika Niescier kommt mit ihrem Trio zu dem ersten Konzert des Krefelder Jazzherbstes in die Kulturfabrik. Das Konzert am Sonntag findet mit einem besonderen Corona-tauglichen Hygienekonzept statt.

Foto: Arne Reimer

Als Saxofonistin Angelika Niescier die Schwingungen von New York in ihren Projekten stets mit kraftvollem, artikulierten musikalischen Forschungsdrang zum pulsierend druckvollen Klingen brachte, war noch nicht zu erahnen, dass sich das Antlitz, die Stimmung dieser Stadt alsbald so ändern würde. Nun, 2020 stehen so viele Zeichen anders, nicht selten in leichter Schieflage. Corona hat viel verändert – hat bis heute auch seine emphatischen Auswirkungen auf die Welt des Jazz.

Corona hat auch für den Jazzklub Krefeld Veränderungen gebracht und somit auch für den Krefelder Jazzherbst, dessen Eröffnung eben jene Angelika Niescier mit einem Trio bestreiten wird. Konstante im Wandel bleibt aber ihre Musik, ihre funkensprühende Schaffenskraft, honoriert durch zahllose Preise, genährt offenbar durch eine Energie, die man vor allem live erlebt haben muss. Dazu gibt es am Sonntag, 13. September, Gelegenheit.

Jazzklub möchte in nächster Spielzeit wieder ins Theater

Bei dem obligatorischen Erwähnen des Ortes, wo wir das Eröffnungskonzert des Jazzherbstes erleben werden, kommt schon eine erhebliche Veränderung ins Spiel. Wie wir bereits berichteten, gibt es eine neue Kooperation zwischen Jazzklub und der Kulturfabrik, wo die Konzerte dieser Jazzherbst-Saison stattfinden werden. Hierzu hatten die beiden Vereine zuletzt eine Meldung veröffentlicht und der Jazzklub auch auf seiner Webseite dazu Erklärungen gepostet. Übrigens, diese haben sie nun präzisiert.

Konzerte des Jazzklubs wären in der ursprünglichen langjährigen Stammspielstätte des Jazzherbstes unter den Corona-Bedingungen nicht möglich gewesen. „Im Glasfoyer des Theaters sind bedingt durch die Hygiene- und Abstandsregeln keine Veranstaltungen denkbar. Der B-Spielplan 20/21 für die beiden Städte Krefeld und Mönchengladbach bezieht sich komplett auf die beiden Hauptbühnen und lässt leider keinen Raum für die Fortführung der Kooperation mit dem Jazzklub Krefeld“, schreibt Florian Funke vom Jazzklub. Die Kooperation des Theaters mit dem Jazzklub habe mittlerweile eine mehr als 10-jährige Tradition, und beide Institutionen seien bestrebt, heißt es in einem Statement vom 3. September seitens des Jazzklubs, die Zusammenarbeit ab Spielzeit 2021/22 fortzuführen, sobald die Umstände dies erlauben. Also ist die vorerst neue, durch Industrie-Flair geprägte Spielstätte wahrscheinlich eine Heimat auf Zeit?

Aber zurück zur dem Eigentlichen, der Musik. Und alleine schon jener Auftakt mit Niescier, die gemeinsam mit Matthias Akeo Nowak (Bass) und Leif Berger am Schlagzeug ihre Kunst präsentieren wird, ist ein beachtlicher. „Die Ausnahme-Musikerin gehört zu jenen außergewöhnlichen Frauen, die seit einiger Zeit der europäischen Jazzszene neue Konturen geben“, ist auf der Webseite des Jazzklubs zu lesen. Sie ist, führt man aus, nicht nur eine zielstrebige Künstlerin mit unbändiger Energie, reichhaltiger Tonpalette und virtuoser Technik, sondern komponiert auch für Film, Theater, Big Band, Ballett und Sinfonieorchester. Kein Wunder, dass in Ihrem Schaffen auch Bezüge etwa zu Wagner zu finden sind. So hat die 1970 in Stettin geborene Musikerin 2012 sich der so speziellen, vielschichtigen und musikalisch überaus reizvollen Figur der Kundry aus Wagners Parsifal gewidmet. Dabei hat aber ihre Art des Saxofonspiels überhaupt nichts Romantisches, vielmehr eine puristische Kraft.

Weiter geht es im September mit Ronny Graupes Spoom. Der Gitarrist wird gemeinsam mit Bassist Jonas Westergaard und Schlagzeuger Christian Lillinger zu erleben sein. Das 2004 gegründete Trio konzentrierte sich zunächst auf das Great American Songbook, heißt es auf der Webseite Graupes. Aber es blieb nicht dabei – Originalkompositionen erweitern das Spektrum. Das klingt auch mal nachdenklich introvertiert, oft sprechend, hin und wieder auch etwas ironisch, bisweilen temporeich mit musikalischen Traditionen spielend. Graupe engagiert sich im Projekt „Into The Shed“, das sich im Corona-Lockdown formte, um Musiker der Szene in Berlin zu unterstützen.

Im Oktober kommt die Formation Dalgoo zum Jazzherbst. Eine der Bands des (Wahl-)Amsterdamer Saxofonisten Tobias Klein. Das Quartett Dalgoo wurde 1998 von Tobias Klein und Meinrad Kneer in Amsterdam gegründet und arbeitete bis zum Jahr 2005 kontinuierlich. 2018 machten Klein, Ohlmeier und Kneer gemeinsam mit dem Berliner Schlagzeuger Christian Marien einen Neuanfang. Für das Quartett wurde neues Material komponiert und arrangiert, heißt es auf der Webseite des Jazzklubs. Die Gruppe erzähle Geschichten durch Musik; so würden Erzähltechniken genutzt, die man sonst aus Literatur, Kino oder auch Theater kenne. Ein Mittel, wie Rückblenden und Schnitte oder auch sich verschmelzende Bilder sind übrigens auch in der klassischen Musik von Größen wie Schubert schon auf andere Weise für sich entdeckt worden und sowieso in der Avantgarde ein gern genutztes Mittel der Wahl, wie auch Simultanität von musikalischen Prozessen. Dalgoo spielt eigene Kompositionen.

Das Finale des Jazzherbstes gehört Sebastian Gramss‘ States of Play Ensemble 2020. Das sind dieses Jahr, international besetzt, eigentlich drei Trios – ein Nonett. Wie Gramss beschreibt, zwei Rhythmusgruppen und drei Bläser, die gleichzeitig erlauben, mit verschiedenen Ebenen zu spielen. Doch zudem gibt es noch einen „zehnten Mann“, einen selbstspielenden computergesteuerten Flügel, der teilweise noch von dem Pianisten Philip Zoubek präpariert wird. Möglichkeiten jenseits eines Pianisten. Da kann es mal sphärisch pointillistisch werden – beides zugleich –, klanglich dialektisch in einem postmodernen Spielraum. Natürlich klingt das auch noch nach melodisch reizvollem Jazz: „Melodic Avantgarde“.

Die Konzerte finden unter strengen Corona-Regeln statt. Mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept, schreibt der Jazzklub, zu dem unter anderem auch der permanente Austausch der Raumluft und ein Einbahnstraßensystem gehört.

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