Corona in Krefeld Wie ein Besuch im Kaiser-Wilhelm-Museum jetzt abläuft

Krefeld · Das Kaiser-Wilhelm-Museum ist ab jetzt geöffnet. Wir waren vor Ort und haben uns einige Gedanken gemacht.

 Katia Baudin, Leiterin des Kaiser-Wilhelm-Museums, erklärt unserem Redakteur im Eingangsbereich die Regeln für einen Besuch.

Katia Baudin, Leiterin des Kaiser-Wilhelm-Museums, erklärt unserem Redakteur im Eingangsbereich die Regeln für einen Besuch.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Dann ging es plötzlich ganz schnell. Die Kunstmuseen Krefeld öffneten ihre Tore. Groß war schon die Sehnsucht der Kulturfreunde, nicht nur digital aus der Ferne, sondern tatsächlich vor Ort wieder Kunst auf sich wirken zu lassen. Um uns den ersten Öffnungstag unter diesen immer noch sonderbar surreal wirkenden Rahmenbedingungen anzuschauen, haben wir uns das Kaiser-Wilhelm-Museum ausgesucht. Über diesen Besuch, der übrigens schlussendlich um einiges normaler ausfiel als vielleicht befürchtet – was gut ist für die Kunst –, wollen wir berichten.

Blick nach vorne erfordert auch einen Blick zurück

Zuvor aber vielleicht dann doch noch den Blick auch zurückwerfen. Weil ein Blick nach vorne ohne eine retrospektive Betrachtung wohl kaum geht, vor allem, wenn es um Situationen von derart großer Tragweite geht, wie wir sie erlebt haben.

Ganz schnell war es zuvor bei der Schließung aller Kulturorte schon gegangen. Um die Ausbreitung von Corona zu bremsen, kam eine für Museen, Theater und Co. – um hier mal nur die Welt der Kultur in den Fokus zu nehmen – plötzliche Vollbremsung. Auf einmal war Schluss mit dem inspirierten Schlendern durch die Museen, Schluss mit Kunstvermittlung, Schluss mit dem kreativen Bespielen von ästhetisch aufgeladen Orten. Auch in Krefeld. Die Kunstmuseen der Stadt fanden sich schlagartig in einem Zustand, der – verzeihen Sie den gesundheitlichen Vergleich – einem plötzlichen Schock nach einer besonders schicksalhaften Nachricht nicht unähnlich sein dürfte. Denn plötzlich war es für Kultur nicht mehr ohne Weiteres möglich, eines ihrer vornehmsten Aufgaben erfüllen zu können: Ästhetisch auf das zu reagieren, was in der Welt passiert. Menschen Impulse zu geben, sie schlussendlich auch in einen Dialog zu bringen.

Nicht umsonst wird die Idee von Museen mehr und mehr als ein Ort des Dialoges, als ein Forum für ästhetischen Diskurs begriffen; übrigens so niederschwellig wie möglich und idealerweise weit geöffnet. Dies sein zu können, gelang schlagartig gar nicht mehr. Und ist bis heute eingeschränkt. Ein Prozess, der vor der Krise, etwa durch Überlegungen zu dem neuen Museumscafé, vielleicht mal gerade zaghaft auch in Krefeld aufkeimte, das Kaiser-Wilhelm-Museum als ein Forum für kulturellen Austausch zu entwickeln, kann vorerst eher weniger weitergehen. Ohne Veranstaltungen, ohne Austausch miteinander, geht all das nicht. Und einen unbeschwerten, vielleicht zündenden Funken von kulturellem Feuer kann es – so bitter es auch erscheinen mag – in Zeiten von „social distancing“ nur sehr eingeschränkt geben.

 Zeitnah bemühte man sich indes, den Kontakt zu dem Publikum zumindest auf anderen Wegen – zumeist digitalen – aufrecht zu halten. Doch ist dies kein Ersatz für den unmittelbaren ästhetischen Kontakt zu dem Kunstwerk. Etwa, beispielhaft, mit der Aktion „Stay home – mail art!“, durch die das Museum dazu aufgerufen hatte, Kunstwerke zuzuschicken, konnten allerdings die Kunstmuseen schon auch beweisen, dass auch in diesen Zeiten Esprit möglich ist. Immerhin gab es Rückmeldungen, also Zusendungen von Kunst, unterschiedlichster Genese vom Laien bis zum Künstler, aus – immerhin – fast aller Welt.

Ähnlich gelungen scheint die Buchpräsentation von „Short Stories für Haus Lange Haus Esters“. Das erste Mal entstanden Kurzgeschichten, inspiriert durch die beiden Bauhaus-Villen, die nun in einem Buch veröffentlicht wurden. Fast würde man denken, dies wäre eine Reaktion auf die aktuelle Lage. Doch die Idee ist schon lange vor Corona entstanden. Passt sie auch scheinbar wie angegossen in unsere Zeit – ortsspezifische Literatur. Eine schöne Möglichkeit, zumindest ideell vor Ort zu sein. Für Zeiten, in denen Museen geschlossen sind, ein Hoffnungsschimmer.

Nun, die Lage ist heute zwar immer noch nicht ganz so eindeutig, wie man es sich vielleicht wünschen würde. Aber sie hat sich aktuell etwas entspannt und zumindest für die Kultur soweit geändert, dass sie sich nun öffnen darf. Wie man hört, gibt es inzwischen auch schon Perspektiven für Theater – aber das muss an anderer Stelle eruiert werden.

Die Rahmenbedingungen, unter denen das Kaiser-Wilhelm-Musuem, aber auch die anderen Standorte der Kunstmuseen Krefeld, also die Häusers Esters und Lange, öffnen, sind von der Vorsicht der Museumsleitung geprägt. Katia Baudin und ihr Team freuen sich natürlich sehr, ihre Häuser wieder dem Publikum zugänglich machen zu können, doch zeitgleich spürt man im Gespräch, dass für sie bei aller Öffnung auch die Sicherheit der Besucher und der Mitarbeiter an erster Stelle steht. Vorgaben gab es genug. Diese auf die individuellen Bedürfnisse der Häuser umzusetzen allerdings ist eine andere Sache.

Mit Maske durch ein
leeres Museum

Im Falle des Kaiser-Wilhelm-Museums hieß dies, neben üblichen Regeln wie Maskenpflicht und die obligatorischen 1,5 Meter Abstand Folgendes: Getrennte Ein- und Ausgänge, Hinweisschilder, wo nötig, aber nicht in einem Übermaß, sodass der Besuch des Museums zu sehr ästhetisch beeinträchtigt wäre, mehr Museumspersonal, das an neuralgischen Punkten hilft und aufpasst, dass alles so läuft, wie es soll.

Obligatorisch wirkt der fast schon etwas kunstvoll arrangierte Desinfektions-Stand am Eingang. Ebenfalls obligatorisch sind die Markierungen auf dem Boden, vor den Kassen, die den Abstand zwischen den Wartenden gewährleisten sollen. Wie in einem Supermarkt. Auch die Plexiglas-Scheibe, die sowohl die Menschen an der Kasse als auch die Besucher vor Tröpfchen schützen soll, gehört zu dieser „neuen Normalität“ – die, so wollen wir doch hoffen, eben keine Normalität wird, zumindest auf lange Sicht. Aber so ist es nun mal zurzeit.

Was aber leider ganz und gar anders ist, an diesem ersten Öffnungstag – wir sind am Donnerstag gegen 13 Uhr vor Ort –, als wir vielleicht vermutet hätten, ist der Umstand, dass es kein Publikum gibt. Niemand wartet in der Schlange, niemand ist neugierig vorbeigekommen, um endlich wieder Museumsluft, zugegebenermaßen durch die Maske gefiltert, zu atmen. Neben der allgemeinen Sehnsucht endlich wieder ein Museum besuchen zu können, gebe es ja auch noch andere gute Gründe für einen Besuch. So die aktuelle Auseinandersetzung des in Krefeld geborenen Künstlers Ignacio Uriarte mit ausgesuchten Exponaten der Sammlung. In „Den Zufall ordnen – Sammlungssatellit #5“ treffen wir auf einen Dialog zwischen der durch Büro-Welten geprägte Kunst Uriartes mit Werken, die ihn in seiner Jugend hier vor Ort prägten. Auf der zweiten Etage des Kaiser-Wilhelms-Museums findet sich aber noch mehr, weswegen der Besuch sich eigentlich mehr als lohnen würde. Neuerwerbungen und Co. Und nicht zuletzt der Beuys-Block, der uns gerade in heutigen Zeiten durch seine transzendente Kraft meditativ in gänzlich andere Sphären zieht. Vielleicht gerade auch zurzeit ein Grund dort kurz zu verweilen und sich eine Meta-Sicht auf das Hier und Jetzt zu gönnen.

Apropos verweilen. Man soll die Ausstellung in einer vorgegebenen Richtung durchqueren. Maximal 30 Besucher pro Etage wären erlaubt. Doch unter den Umständen, wenn sich bis auf einen selbst nur die Wächter in den Räumen befinden, stellen sich derartige Fragen weniger. Wichtiger etwa ist, wie man bei Kunstwerken verfährt, die eine Interaktion verlangen, wie die augmentierte Installation „Bot 05“ von Banz und Bowinkel. Hier bedarf es eines Tablets, um das Werk „richtig“ betrachten zu können. Hilfe bietet hier ein Mitarbeiter des Museums, der das Gerät stets desinfiziert und anleitet, wie man es nutzen kann. Sitzkissen, wie in dem Raum mit der Video-Installation „Icon“ von Falsnaes, werden, so versichert uns die Museumsleiterin, regelmäßig desinfiziert und dürfen benutzt werden.

Von den Maßnahmen, die unsere Gesundheit garantieren sollen, merkt man als Besucher allerdings nicht zu viel. Bis auf maskierte Mitarbeiter wirkt der Museumsbesuch relativ „normal“. Kunst wird in verschiedenen Räumen präsentiert und vergisst man die eigene Maske, könnte es fast ein unbeschwerter Museumsbesuch sein. Was im Moment wohl auch daran liegt, dass es keinen oder an diesem Tag nur sehr wenig Publikumsverkehr gab, und es gar nicht erst zu „brenzligen“ Situationen kommen konnte, in denen die Aufpasser hätten eingreifen müssen, um auf Abstandsregeln und Ähnliches aufmerksam zu machen. In den Häusern Esters und Lange habe es etwas mehr Besucherandrang gegeben – allerdings auch nur vereinzelt, erklärte man uns.

Nachdem wir die Kunst haben auf uns wirken lassen, müssen wir den Rückzug über eine andere Treppe antreten. Auch eine Maßnahme. Dabei merkt man, dass es gar nicht so trivial ist, mit Maske Treppen zu steigen; denn der Blickwinkel nach unten wird durch die Maskenkante etwas eingeschränkt. Also Vorsicht ist geboten.

Am ersten Öffnungstag unter den neuen Bedingungen, ist der große Andrang noch ausgeblieben zu sein. Wie sich das entwickeln wird, dürfte sich noch zeigen. Vielleicht ändert es sich ja schon am Wochenende. Schlussendlich wird jeder selbst entscheiden müssen, wie hoch man das Risiko eines Besuches für sich einschätzt. Ob die Vorsicht oder die Lust an der Kunst stärker ist. Ihr Bestes uns zu schützen, gibt das Museum scheinbar.

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