Christian Tombeil: „Wichtig ist auf’m Platz“

Christian Tombeil wechselt als Schauspielchef nach Essen. Er spricht über schlechte Presse, große Pläne und die Politik.

Krefeld. Einen netteren Empfang hatte er sich schon erhofft, das merkt man Christian Tombeil an. Viele Journalisten lokaler und überregionaler Medien haben sich vorab mit seiner Berufung ans Essener Grillo-Theater beschäftigt, und besonders freundliche Worte haben sie nicht gefunden. Der falsche Mann am falschen Ort, hieß es, kein großer Name wie sein Vorgänger Anselm Weber, dazu wenig Erfahrung mit der Schauspielsparte. Eine Sparlösung passend zum Essener Sparkurs, lautete das vernichtende Urteil.

Wie konsequent manche Journalisten den Prozess der Erkenntnis von der Mühsal der Recherche abkoppeln, musste Tombeil leidvoll erfahren: "Manche haben nicht mal den Telefonhörer in die Hand genommen", sagt er und beklagt mangelndes Ethos: "Kulturpolitik über die Medien zu machen, ist immer gefährlich."

Hätten die Kollegen sich erkundigt, sie hätten am Niederrhein, wo Tombeil 13 Jahre lang gearbeitet hat, viel Gutes hören können über den Stellvertreter von Jens Pesel. Ein pragmatischer Handwerker und guter Organisator ist er, kein Schreihals, sondern einer, der besonnen und klar seine Meinung sagt, übrigens auch zum Thema Sparen. "Mit der Politik muss man konstruktive Gespräche führen. Vielleicht würden Entscheidungen nach einem Riesenkrach schneller getroffen, aber vermutlich nicht besser."

Den unverschuldeten Fehlstart in Essen kompensierten Tombeil und sein Team durch Trotz und Fleiß. Ein Gefühl von "Jetzt erst recht" machte sich breit - und das Ergebnis ist ein richtig mutiges Programm, flankiert von einem ironisch bissigen Spielzeitheft ("Mit Essen spielt man nicht"). Wenige Klassiker finden sich darin, dafür viel Modernes, allein fünf Uraufführungen. "Danach haben viele Medien eine 180-Grad-Wende vollzogen", sagt Tombeil. "Trotzdem schreibt keiner: Wir müssen unsere Meinung revidieren." Wie auf die Häme zuvor, bemüht er sich, auch auf das vorauseilende Lob wenig zu geben: "Am Ende gilt: Wichtig ist auf’m Platz."

Welche Taktik dort zählt, auch das macht Tombeil mit einer Fußball-Metapher klar: "Es wäre gelogen, wenn ich sage, ich fahre nicht gern nach Berlin. Aber vorher muss man die Heimspiele gewinnen." Anselm Weber hat gerade jüngere Leute ins Theater gezogen. "Er hat tolle Arbeit geleistet, aber eben schon viele Klassiker durchgehechelt. Jetzt tut es gut, etwas Anderes zu machen."

Den Jüngeren dürfte auch das gefallen: Juli Zeh und Eric Bogosian stehen auf dem Spielplan, Bühnenversionen der Filme "Jede Menge Kohle" und "Die fetten Jahre sind vorbei". Bewusst geht das Team auch hinaus zu den Menschen, etwa mit einem Hip-Hop-Projekt oder der "Winterreise" durch das Leben von Essener Einwanderern, die Vera Ring und Bernarda Horres wagen.

Tombeil selbst wird im ersten Jahr nicht inszenieren, der Druck auf ihn wird ohnehin immens sein. Nach der überraschenden Berufung hatte er gerade mal zwölf Monate, um seine erste Spielzeit aus dem Boden zu stampfen: "Da blieb nicht mal Zeit durchzupusten", gibt er zu. "Aber Druck ist manchmal gut."

Eigentlich, sagt Tombeil, wäre er auch mit Freuden am Niederrhein geblieben, wo er mit Frau, zwei Kindern und zwei Hunden lebt: "Ganz klar: Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge." Seine Aufgabe in Essen sieht er darin, "Räume für Kreativität zu schaffen und Kollegen eine Spielwiese für künstlerische Abenteuer zu geben". In dieser oft verkannten Kunst hat er zumindest jede Menge Übung.

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