Cellist Lutz Rath: „Entartete“ Musik in der Synagoge

Der Krefelder Lutz Rath lebt seit mehr als 30 Jahren in New York. Der Cellist spielt ein Konzert zu den Jüdischen Kulturtagen.

Cellist Lutz Rath: „Entartete“ Musik in der Synagoge
Foto: Kristi Kates

Krefeld. Lutz Rath ist ein Krefelder, der in New York lebt. Er hat das Arndt-Gymnasium besucht, ist dann an die Staatliche Hochschule für Musik nach München gegangen, bevor er sein Studium an der Indiana University mit dem damaligen „King of Cellists“, Janos Starker in den USA, fortsetzte. Der Cellist war 1978 mit dem International String Quartet für ein Konzert in Krefeld — seitdem war er nur noch privat in der Stadt. Zu den jüdischen Kulturtagen präsentiert er ein Konzert in der Synagoge. Was genau er spielt, erzählt er im Interview mit der Westdeutschen Zeitung.

Herr Rath, wie kommt es, dass Sie am 11. März in der Synagoge ein Konzert spielen?

Lutz Rath: Ich besuche in diesem Jahr das 50. Klassentreffen (Abiturtreffen) an meiner alten Schule, dem Arndt-Gymnasium. Ich wusste nicht, dass die Jüdischen Kulturtage sind. Ich kenne Michael Gilad (Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, Anmerkung der Redaktion) schon länger durch meinen Vetter Klaus Reymann, der die Synagoge gebaut hat. Wir hatten schon öfter darüber gesprochen, ein Konzert in der Synagoge zu geben. Als ich von den Kulturtagen erfuhr, habe ich deshalb angefragt, ob wir das Konzert machen sollen.

Was genau spielen Sie an dem Abend?

Rath: Wie „entartete“ Kunst, gab es auch Musik, die in der Zeit des Nationalsozialismus verboten war. Ich präsentiere Werke von Ravel, Zemlinsky, Messiaen, Schwitters und Ullmann. Gerade das Werk von Victor Ullmann ist sehr bewegend. Er hat Rilkes Cornet-Dichtung im Konzentrationslager geschrieben. Es war Ullmanns letzte Komposition in Theresienstadt. Messiaens Werk wurde ebenfalls im Konzentrationslager komponiert, Zemlinsky war Arnold Schoenbergs Lehrer — er musste auswandern und starb verarmt in New York. Ravels Kaddish gehört zur jüdischen Lithurgie. Schwitters war Dadaist (Dadaismus — eine künstlerische und literarische Bewegung, Anmerkung der Redaktion), vom Kunstleben gebannt.

Werden Sie allein auf der Bühne stehen?

Rath: Nein, ich selbst spiele das Cello und übernehme die Sprechstimme. Die Düsseldorfer Künstlerinnen Sara Derman und Simone Weber unterstützen mich an Klavier und Klarinette.

Wann sind Sie zum letzten Mal in Krefeld aufgetreten?

Rath: Das ist jetzt das erste Mal seit 1978, dass ich in Krefeld auftrete. Damals stand ich mit dem International-String-Quartett auf der Bühne. Für mich ist das sehr emotional. Wie ein Comeback nach so vielen Jahren und dann sind auch noch alle meine Klassenkameraden in der Stadt.

Haben Sie das Konzert extra für die Jüdischen Kulturtage zusammengestellt?

Rath: Nein, ich spiele viele Konzerte mit diesem Thema in den USA. Dort weiß man sehr viel über die Zeit und die Musik.

Was machen Sie in den USA?

Rath: Ich bin der Direktor des Washington Square Music Festivals in New York. Ich dirigiere auch das Festivalorchester oder spiele selbst. Sehr oft eklektische, herausfordernde und provozierende Programme. Ich spiele viele Kammermusikkonzerte und „verkaufe“ meine Stimme für Dada-Aufführungen und musikalische Melodramen. Zudem bin ich aktiv auf dem Kunstmarkt, als Sammler und Haendler besuche die internationalen Kunstmessen.

Weshalb sind Sie nach dem Studium nicht nach Krefeld zurückgekommen, sondern nach New York gegangen?

Rath: New York ist die aufregendste Stadt der Welt, besonders für Kunst und Musik — wenn man professionell, energiegeladen, kontaktfreundlich und furchtlos ist, dann kann man viele Türen öffnen und seiner Kreativität verwirklichen. Mir war schon von vorneherein klar, dass ich dort bleiben möchte. Man muss auch Glück haben, und das hatte ich. Als ich 1984 in die Stadt kam, kannte ich nur zwei Leute. New York wurde zum Schlaraffenland für mich, aber oft war es auch sehr schwierig.

Was sind Ihre Erinnerungen an Krefeld?

Rath: Im Rückblick war einer der größten Einflüsse das Museum Haus Lange. Das war quasi mein Sandkasten. Ich fühle mich als Verbindung zwischen den Kulturen und den Generationen. Es war beeindruckend wie viele Krefelder und mit Krefeld verbundene Künstler, besonders Adolf Luther, Mack, Uecker oder Klein in der Zero-Ausstellung im Guggenheim-Museum vertreten waren.

Wie halten Sie von der Veranstaltung „Jüdische Kulturtage“?

Rath: Ich finde es hervorragend! Für mich ist es normal. New York lebt damit und atmet die Kultur.

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