Bizarre und absurde Miniszenen einer Anti-Oper

Im Theater am Marienplatz zeigt Pit Therre in seiner Montage Werke von Mauricio Kagel und Urs Peter Schneider.

Bizarre und absurde Miniszenen einer Anti-Oper
Foto: Dirk Jochmann

Ende mit Getöse. Die Akteure Gereon Bründt, Stefan Hölker, Dieter Kaletta und Björn Kiehne treten mit je zwei Donnerblechen an den Bühnenrand und lassen sie scheppern — sehr laut. So endet Pit Therres „Montage“ von „Repertoire“, einem Teilstück aus Mauricio Kagels „Staatstheater“ mit Urs Peter Schneiders „Geistlichen Übungen“, diese ein Teil aus Schneiders „Kirchweih“, mit einem scheinbaren Finale. Therres „Montage“ bildet das Märzprogramm des Fischelner Theaters am Marienplatz (Tam).

Sowohl Kagel (1931-2008) als auch Schneider (1939) gehören zu den vielgespielten Urhebern im Tam. „Staatstheater“ und „Kirchweih“ entstanden ungefähr zur gleichen Zeit, nämlich Ende der 1960er Jahre. Kagels Werk „Repertoire“ ist als Teil des übergreifenden Stücks „Staatstheater“ bekannter, da dieses 1971 in der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführt wurde.

Beide Komponisten sind der Neuen Musik zuzurechnen, hinterfragen gängige Konzert- und Musiktheaterpraktiken. Kagel hat über sein „Staatstheater“ gesagt: „Es sei „nicht nur die Negation der Oper, sondern des herkömmlichen Musiktheaters schlechthin.“ So verweigert Kagel eine durchgehende Handlung, entsprechende Rollen, große Arien. „Repertoire“ besteht aus zahlreichen oft nur sekundenlangen Aktionen, aus denen Therre eine Auswahl getroffen hat. Gespielt wird im Tam in einem Bühnenbild aus weißen Stellwänden. Zwei Querwände schließen die Bühne ab, hinter der Letzteren befinden sich offenbar Podeste, so dass die Akteure auch oberhalb der Wand mit sichtbarem Oberkörper agieren können. Vor der vorderen Querwand stehen zwei Paravents, die wahrscheinlich zwei Portale in der Wand dahinter verdecken.

Die Kulisse schafft Auf- und Abtrittsmöglichkeiten, dient zur unsichtbaren Lagerung der zahlreichen Klangkörper, Requisiten und Instrumente und zur Verdeckung der Akteure bei Aktionen, in denen diese wie im Puppentheater Gegenstände animieren.

Grob kann man die pantomimischen Aktionen und solche mit Klangkörpern von den instrumentalen Aktionen trennen. Letztere stammen wahrscheinlich größtenteils aus Schneiders „Geistlichen Übungen“. Hier kommen etwa eine Trompete, eine Geige oder eine Gitarre zum Einsatz, meist mit banalen Tonfolgen. Manchmal sieht man die Ausführung, weil die Instrumentalisten einen Gang über die Bühne machen, manchmal wird hinter den Wänden gespielt.

Letztlich erschließt sich nicht, warum Therre mit Schneiders Anteilen an seiner „Montage“ Musik in einem konventionelleren Stil in Kagels modellhafte Dekonstruktions-Szenenfolge implantiert hat.

Die Kagel-Anteile sind das bei weitem Spannendere. Da presst sich etwa ein Darsteller wie bei einer Geburt eine Styroporkugel aus dem Hemd. Oder drei Akteure bespielen zahlreiche Rahmentrommeln, die einem Vierten an den Körper geschnallt sind. Oder ein mit einer Gasmaske ausgestatteter Akteur trägt einen geöffneten Geigenkasten über die Bühne. Die instrumentalen Passagen zwischen diesen absurden bis bizarren und in jedem Fall vieldeutigen Miniszenen wirken ein wenig wie Bremsklötze, das ist schade. Dennoch lohnt der Besuch im Tam, das sich auch mit dieser Aufführung wieder einmal als Erinnerungsort bewährt. Erinnerung an eine Moderne, deren Impulse oft genug so lebendig erscheinen, als wäre sie nicht schon längst Teil der Musikgeschichte.

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