Lesung Geschwächter Körper, wacher Verstand

Krefeld · Im Rahmen des Literarischen Sommers las Michael Roes auf dem Gelände des Golf- und Country Club Elfrather Mühle.

 Lesung unter freiem Himmel: Autor Michael Roes stellte im Club an der Elfrather Mühle seine Art des Reisens vor.

Lesung unter freiem Himmel: Autor Michael Roes stellte im Club an der Elfrather Mühle seine Art des Reisens vor.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Ein warmer Sommerabend und eine traumhaft schöne Kulisse. Die Rahmenbedingungen für eine Lesung unter freiem Himmel hätten nicht passender sein können. Im Rahmen des Literarischen Sommers las Michael Roes auf dem Gelände des Golf- und Country Club Elfrather Mühle. Es war die erste von zwei Lesungen, die im Rahmen des deutsch-niederländischen Festivals in Krefeld stattfinden.

Gabriele König, Kulturbeauftragte der Stadt, begrüßte auch im Namen von Mediotheksleiterin und Organisatorin Evelyn Buchholtz die Gäste. Diese hatten auf der Terrasse an Tischen Platz genommen und konnten bei einem Getränk entspannt die Lesung genießen. Zu der idyllischen Umgebung bot der Inhalt des Buches einen spannenden Kontrast. Denn in „Melancholie des Reisens“ erzählt Michael Roes von ganz speziellen Orten und Exkursionen.

Kein Bildungsurlaub, sondern Reisen als Herausforderung

Seine Reisen, die ihn in den Jemen, nach Israel, Afghanistan, Algerien und Mali geführt haben, haben nichts mit der für Touristen üblichen Art des entspannten Bildungsurlaubs gemein. Meistens gab es für den Autor, der auch Filme macht und Theaterstücke inszeniert, bestimmte Anlässe für seine Exkursionen. Das Buch ist daher nicht als Urlaubsbuch zu verstehen, sondern handelt vom Reisen als Herausforderung.

Der Titel „Melancholie des Reisens“ gibt auch einen versteckten Hinweis darauf, dass Reisen nicht immer glücklich enden. Für Roes gibt es auch die gescheiterten Reisen und ein besonders eindrucksvolles Beispiel wählte er auch für seine Lesung aus. 1999 reiste er nach Mali und hätte dieses Abenteuer fast nicht überlebt. Seine Tagebuchaufzeichnungen von damals bilden die Grundlage für das Kapitel, in dem er zugleich aus heutiger Sicht die Erlebnisse von damals reflektiert.

Diese Mischung aus Tagebuch und Erzählerperspektive verleiht Roes Sprache eine besondere Lebendigkeit. Hauptthema sind seine ganz persönlichen Eindrücke in einem Land, in dem er für alle deutlich sichtbar ein Fremder ist und mit extremen klimatischen Bedingungen zu kämpfen hat. Die „Waschküchenluft“ umklammert ihn bereits bei seiner Ankunft in der Hauptstadt Bamako und lässt ihn auch in den folgenden Tagen nicht los.

Er will die Stadt allein erkunden und sieht sich mit einer Überfülle von Eindrücken konfrontiert. Was er auch spürt, ist die „andauernde Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit“, die vor allem auf das Klima zurückzuführen ist. Auf einer Fahrt mit einem Auto nach Timbuktu bekommt er Fieber und gerät in einen lebensbedrohlichen Zustand. Doch im Gegensatz zu seinem geschwächten Körper ist sein Verstand sehr klar und er nimmt viele kleine Dinge wahr. Da ist die freundliche Geste eines Mannes, der ihn zum Tee einlädt oder das spöttische Lächeln einer hübschen jungen Frau, das für ihn rätselhaft bleibt. Es sind diese sensiblen Beobachtungen, die den Leser/Zuhörer in diese fremde Welt hineinziehen.

„Reisen sind Ausnahmesituationen“, erklärt der Autor im anschließenden Gespräch mit Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW. Außerdem gäbe es ein intensives Körpergedächtnis. Für das Buch hat Roes auch frühe Notizen ab 1978 gesichtet und dabei festgestellt, wie viele Situationen ihm immer noch präsent sind. Für das Nachempfinden hält er Texte für besser geeignet als Fotos: „Texte haben eine größere Offenheit und lassen mehr Assoziationen zu.“

Die Reise durch Mali musste er abbrechen, aber dieses Scheitern war für ihn eine wertvolle Erfahrung. Ein Land, in das er früher immer wieder zurückgekehrt ist, war der Jemen und hier stellte sich für ihn sogar das Gefühl von Heimat ein. Im Fokus all seiner Reisen stehen für Roes immer die Begegnungen mit Menschen. „Sonst kennt man ein Land nicht“, sagt er. Aufwendige Fernreisen mutet sich der heute Sechzigjährige nicht mehr zu. Zu den näheren Zielen, die er für sich entdeckt hat, zählt Albanien.

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