Ausstellung in Krefeld „Die Geschichte der Dinge“

Krefeld · Wanderausstellung zu Provenienzforschung am Textilmuseum beleuchtet verschlungene Pfade von musealem Diebesgut.

 Die Museumsleiterin des Deutschen Textilmuseums, Annette Schieck, in der Wanderausstellung zu Provenienzforschung.

Die Museumsleiterin des Deutschen Textilmuseums, Annette Schieck, in der Wanderausstellung zu Provenienzforschung.

Foto: Stadt Krefeld/Dirk Jochmann

Viele Objekte in Museen oder auch privaten Sammlungen haben gleich mehrere Geschichten, Biografien sozusagen. Es gibt den kunstgeschichtlichen Aspekt, also welche „Geschichte“ hinter einem Exponat steckt, wer es gemacht hat, wieso, wann und wo, in welchem Stil? Diese Geschichte endet zumeist in dem Moment, wenn das Werk vollendet ist, das Objekt auf den Weg geschickt wird – natürlich gibt es dann aber auch noch Nachschwingungen, wenn man es genau nimmt. Welche Wirkung hat das Werk, wen hat es beeinflusst oder gibt es Kopien und Co. Die Provenienzforschung indes befasst sich mit der anderen profaneren Geschichte, mit der Frage, wem ein Objekt wann gehörte, wie ein Objekt seine Besitzer wechselte und vor allem auch unter welchen Bedingungen. Wie sind bestimmte Exponate in Museen gelangt, wurden sie geraubt, abgepresst oder auf andere Weise von ihren rechtmäßigen Besitzern genommen?

Auch am Deutschen Textilmuseum befassen sich die Wissenschaftler mit speziellen Teilgebieten der Provenienzforschung, wenn es etwa um Textilien geht. So hat etwa Museumsleiterin Annette Schieck gemeinsam mit Dirk Senger eine umfassende Recherche zum Erwerb der Trachtensammlung aus dem Besitz des Malers Paul Prött betreut und hierzu auch ein Buch vorgelegt.

Wanderausstellung gastiert bis zum 30. Dezember in Krefeld

Nun hat man zudem eine Wanderausstellung eingeladen, die vom Museumsamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) konzipiert wurde und das Thema Provenienzforschung anhand ausgewählter Fallbeispiele beleuchtet. „Geschichte der Dinge. Zur Herkunft von Objekten in nordrhein-westfälischen Sammlungen“ ist ab dem 24. Oktober im Textilmuseum zu Gast und präsentiert in sieben Kapiteln – aufgrund der Platzsituation in einer kompakteren Form – unterschiedliche Objekte und ihre Story. 

Während bei Ausstellungen zum Thema Provenienzforschung meist nur ein Sammlungsbereich, ein Sammler oder ein Museum im Fokus stünde, heißt es in der Ankündigung des Projekts, widme sich die LWL-Ausstellung erstmals in Deutschland dem gesamten Themenbereich. Das heißt: Die von Ute Christina Koch und Verena Burhenne kuratierte Schau befasse sich mit „unterschiedlichen Entzugskontexten wie zum Beispiel NS-verfolgungsbedingtem Entzug, Kolonialismus oder DDR-Unrecht, mit verschiedenen Objektgruppen wie Judaika, aber auch mit Akteuren und Strukturen.“ Auch rituelle Gegenstände oder Bücher von Freimaurer-Logen können eine intrikate Provenienzgeschichte haben. Freimaurer wurden in der NS-Zeit verfolgt. Es gibt Beispiele für illegale Einfuhr (Marmorkopf aus Fondi) oder auch ein rituelles Behältnis, das evangelische Missionare als Zeichen der erfolgreichen Christianisierung mit nach Deutschland nahmen. Auch beleuchtet man Strukturen, die etwa politisierte Kulturpolitik in der NS-Zeit erst möglich machten. Die Ausstellung mit 50 Leihgaben könne nicht immer Antworten oder konkrete Lösungen präsentieren. Man regt zum Nachsinnen an.

„Angestoßen durch eine Leihanfrage von uns, konnte die Herkunft eines rituellen jüdischen Sedertellers im Hellweg Museum in Unna recherchiert werden. Die kontaktierten rechtmäßigen Eigentümer bestimmten schnell, dass er als Dauerleihgabe im Museum verbleiben soll“, erzählt Ausstellungskuratorin Ute Christina Koch. Andere Objekte stehen „stellvertretend für problematische Provenienzen“. Aus dem Museum Wilnsdorf stammt der Gedenkkopf eines Oba, des politischen und rituellen Oberhauptes im Königreich Benin, mit einer unbedenklichen Herkunft. Dieser wurde vermutlich Mitte des 20. Jahrhunderts in Nigeria hergestellt. Zahlreiche weitere „Beninbronzen“ in europäischen Museen stammen jedoch aus einer „Strafexpedition“ der britischen Armee im Jahr 1897 und werden heute von der nigerianischen Regierung zurückgefordert, wissen die Ausstellungsmacherinnen zu berichten.

Eine weitere Geschichte erzählt beispielsweise von einem polnischen Maler (Czesław Idźkiewicz), der in einem KZ inhaftiert war und ein Gemälde malte, das in den Besitz eines Aufsehers gelangte. War es ein Auftrag? Wer ist rechtmäßiger Eigentümer? Wenngleich hier vieles im Rahmen der Vermutungen bleiben muss – wie so oft bei solchen Nachforschungen.

Zur Ausstellung ist eine App verfügbar, die die Geschichten zu den Objekten sammelt und vertiefte Informationen liefern kann. „Die App stellt (fast) alle Objekte vor und ergänzt sie um begleitende Dokumente wie Fotos und Briefe“. Die Schau ist bis zum 30. Dezember zu sehen.

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