Aus dem Kriegstagebuch: Bomben-Buchführung eines Polizisten

Prof. Wilhelm Stahlhacke hat der NS-Dokumentationsstelle ein Kriegstagebuch gespendet.

Krefeld. Akribisch genau dokumentierte ein Polizeibeamter die Bomben, die in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs auf Krefeld geworfen wurden. Schließlich wollte man nach einem gewonnenen Krieg den Verlierern hinterher die Rechnung für Reparationsleistungen präsentieren und sich von ihnen alle Schäden ersetzen lassen.

Diese Statistik verbirgt sich in einem großen Album mit Karten und vielen Fotos von zerbombten Häusern und Straßenzügen, das Prof. Wilhelm Stahlhacke der NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld überreicht hat. „Kriegstagebuch des Luftschutzortes 1. Ordnung Krefeld“ lautet der Titel der Dokumentation.

Ingrid Schupetta, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle, ist begeistert über den Neuzugang für das Archiv: „Es ist ein herausragender Fund, denn es ist ein Original.“ Eigentlich hätte das Tagebuch schon in den 1940er Jahren im Stadtarchiv landen müssen, doch auf noch unbekannten Wegen gelangte es erst einmal in Privatbesitz.

Stahlhacke entdeckte das Unikat Anfang der 1980er Jahre in einem Duisburger Antiquariat. Die imposante Überschrift, die ihm da im Schaufenster ins Auge fiel, weckte sein Interesse, und er kaufte das Album für 900 Mark. „Es hätte keinen Zweck gehabt, das als Erbe zu hinterlassen. Es sollte wieder zurück nach Krefeld.“

Einige der Fotos aus den Jahren 1939 bis 1943 gab es als Reproduktionen bereits im Stadtarchiv. Ungewöhnlich erscheint heute die „Buchführung“ über die Fliegeralarme und die abgeworfenen Bomben. Da kann man auf einer großen Seite leicht vergilbten Millimeterpapiers ablesen: „1. Fliegeralarm 4.9.1939, 200. Fliegeralarm 6.7.1941, abgeworfene Bomben 4947“.

Als wäre die Auflistung mit Hingabe und viel Muße geschehen, malte der Polizeibeamte Bombenmodelle bunt mit Wasserfarben aus. Äußerst akkurat fertigte er passend dazu die Säulendiagramme der Bombenabwürfe an.

Fotos zeigen, wie es an verschiedenen Stellen der Stadt nach den Luftangriffen aussah: zum Beispiel die Splitterwirkung einer Bombe am 29.11.1940 an der Adolf-Hitler-Straße (heute Rheinstraße) oder die Schäden von Brandbomben am 22.1.1941 in den Lagerräumen der Verseidag. Bis zum 500. Fliegeralarm am 14.6.1943 fielen 26 009 Bomben auf Krefeld.

Allerdings: Nicht die Zahl der Fliegerangriffe, sondern die der Einwohner brachte Krefeld die Klassifizierung als „Luftschutzort 1. Ordnung“ ein.

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