Kunst Viele Gesichter in einer Ausstellung

Krefeld · Anna von Borstel zeigt beeindruckende Porträts in ihrer Schau „Ausschnitte“.

 Anna von Borstel in ihrer Ausstellung im Kunst-Spektrum an der St.-Anton-Straße 90.

Anna von Borstel in ihrer Ausstellung im Kunst-Spektrum an der St.-Anton-Straße 90.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Die neue Ausstellung, die am Freitagabend, 11. Januar, ab 20 Uhr im Kunst-Spektrum eröffnet wird, ist eine Einzelpräsentation eines neuen Mitglieds. Schon lange in Krefeld ansässig und künstlerisch tätig, ist Anna von Borstel im vergangenen Jahr in die Gemeinschaft Krefelder Künstler (GKK) aufgenommen worden. „Ich habe den Austausch gesucht“, begründet sie ihre Entscheidung. Kunst schaffen sei an sich eine einsame Tätigkeit, umso wichtiger sei für die Künstlerin das Gespräch mit ähnlich Gesinnten.

In der Künstlergemeinschaft hat sie eine Art Heimat für sich gefunden. Zugleich bietet das Haus an der St.-Anton-Straße mit seinen sechs sehr unterschiedlichen Räumen tolle Ausstellungsmöglichkeiten. Anna von Borstel hat die Herausforderung angenommen und gibt unter dem doppeldeutigen Titel „Ausschnitte“ einen Überblick über ihr Schaffen aus den vergangenen zehn Jahren. Ursprünglich von der Fotografie kommend, arbeitet sie inzwischen hauptsächlich mit grafischen Mitteln. Ihr bevorzugtes Thema und die Technik sind auf den ersten Blick sichtbar: das Porträt und der Holzschnitt.

Eine fast Hundertjährige
mit viel Zeit

Um die Entwicklung dahin zu sehen, sollte man die Besichtigung in der oberen Etage beginnen. Dort sind viele Zeichnungen, meist in Bleistift oder auch Kohle, zu sehen. Es sind Menschen, die die Künstlerin persönlich kennt, einige haben ihr auch Modell gesessen. Dazu gehört eine fast 100-jährige Frau, die sie allerdings erst durch das Modellsitzen kennengelernt hat. „Ich war auf der Suche nach Modellen, die meisten Menschen haben dazu keine Zeit“ erzählt von Borstel. Die alte Dame hatte unbegrenzt Zeit. Ihr freundliches, von einem langen Leben geprägtes Gesicht, wirkt sehr lebendig. Diese und auch andere Zeichnungen sind direkt an die Wand geheftet und bekommen dadurch einen Studiencharakter. Es geht nicht um das große perfekte Porträt, sondern um das sensible Herantasten an die unterschiedlichen Persönlichkeiten, die sich dahinter verbergen. Für die Künstlerin bedeutet ein Porträt immer eine Beziehung zu einem Gegenüber und zugleich zu sich selbst. Ein Prozess, den sie manchmal auch als sehr anstrengend empfindet. Zum Ausgleich zeichnet von Borstel dann gerne Landschaften, bei denen es ihr nicht um eine fotorealistisch genaue Widergabe geht. Auch bei den Menschenbildern ist sie immer wieder auf der Suche nach neuen Möglichkeiten. So arbeitet sie seit drei Jahren bevorzugt mit Holzschnitten. Sie schnitzt die Strukturen direkt in das helle Holz hinein und färbt erst am Schluss die stehengebliebenen Flächen. Es entstehen sehr plastische Bilder von reliefartigem Charakter. Die Gesichter und Figuren zeigen weniger individuelle Züge als die Zeichnungen. Die schwarze Färbung bildet zu dem hellen Holz einen starken Kontrast. Aktuell sucht die Künstlerin wieder den Weg mehr zur Malerei und experimentiert auch bei den Holzschnitten mit verschiedenen Farben. In der Ausstellung sind zwei Beispiele zu sehen und die Wirkung ist deutlich anders. Das strenge Schwarzweiß wird aufgebrochen, es wirkt frischer und lebendiger. Wieder im Helldunkel-Kontrast sind die beiden Landschaftsdarstellungen. Es sind Impressionen aus einem Urlaub in den Bergen, bei denen sich von Borstel aber einige künstlerische Freiheiten erlaubt hat. In den unglaublich feingliedrigen Schnitzereien zeigt sich eine besondere Beherrschung der Technik.

Nachdem man vielen Gesichtern und Personenkonstellationen mal zeichnerisch, mal plastisch, mal realistischer, mal abstrakter begegnet ist, kann man im letzten Raum seine Geduld auf die Probe stellen. Zu sehen ist eine Videoarbeit, in der einzelne Menschen minutenlang ihr eigenes Gesicht betrachten. Als Mittel dient nicht der Spiegel sondern ein Tablett, in dem sie sich wie in einem Spiegel betrachten. Der Prozess dieser Betrachtung wird wiederum gefilmt und im Video festgehalten. Die ewige Selbstbespiegelung in den Medien wird hier auf eine eigentlich unspektakuläre und doch wirkungsvolle Weise thematisiert. 15 ganz unterschiedliche Personen haben sich darauf eingelassen und gewähren dem Betrachter des Videos Einblicke in eine stille, intime Situation. Das ganze Video dauert länger als eine Stunde. Die Künstlerin ist gespannt, ob sich jemand auf das Ganze einlassen wird.

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