Krisenhilfe: Silvias Schicksal ist zu verhindern

In Krefeld gibt es einen Notruf sowie die Möglichkeit der vertraulichen Geburt, um das Aussetzen von Säuglingen oder gar ihr Töten zu verhindern.

Krisenhilfe: Silvias Schicksal ist zu verhindern
Foto: Archiv Andreas Bischof

Krefeld. Nach dem Fund des toten Säuglings in einem Waldstück nahe der Stahlwerkstraße mehren sich im Internet die Stimmen nach einer Babyklappe. Dabei bietet das Helios-Klinikum schwangeren Mädchen und Frauen, die ihre Mutterschaft geheim halten wollen, schon jetzt eine konkrete Hilfe mit der vertraulichen Geburt an.

Die persönlichen Daten der Entbindenden werden bei dieser Form im Krankenhaus anonymisiert, in einem versiegelten Umschlag an das Jugendamt übermittelt und dort bis zum 16. Geburtstag des Kindes unter Verschluss gehalten. Auch der anonyme Kontakt zum Jugendamt wegen der Freigabe des Säuglings zur Adoption ist somit möglich.

„Dadurch vermeiden wir französische Verhältnisse“, erklärt Ulla Dietz, Vorsitzende des Sozialdienstes katholischer Frauen (SKF). Im Nachbarland gibt es cirka 400 000 anonym Geborene. Viele von ihnen haben sich in einem Verband zusammengeschlossen und kämpfen für das Recht auf Kenntnis ihrer eigenen Herkunft. In Deutschland tritt am 1. Mai ein entsprechendes Gesetz in Kraft, das das Herkunftswissen als Grundrecht künftig garantieren soll.

Die Diskussion über Einführung einer Babyklappe oder anonyme Geburt ist in Krefeld neun Jahre alt. Städtische Mitarbeiter hatten 2005 beim Rasenmähen ein totes Baby in einem Rucksack neben der Kindertagesstätte an der Ritterstraße 150 gefunden. Unter Federführung des damaligen Chefarztes der Frauenklinik am Klinikum Krefeld, Prof. Jörg Baltzer, und Oberbürgermeister Gregor Kathstede wurde ein Runder Tisch einberufen. Mit Fachleuten, unter anderem dem SKF, diskutierte man über mögliche Hilfsangebote für Mütter und Familien in Notsituationen.

„Von allen wurden die Babyklappe und die anonyme Geburt abgelehnt“, erinnert sich Ulla Dietz. Alle Fachleute betonten das Recht des Kindes, seine eigenen Wurzeln kennenzulernen. Bei einer anonymen Geburt oder beim Ablegen in einer Babyklappe habe es niemals die Chance, etwas über seine leiblichen Eltern herauszufinden. Auch die medizinische Versorgung von Mutter und Kind sei so nicht gewährleistet.

In der Folge hatte das St. Josefshospital in Uerdingen die vertrauliche Geburt angeboten, in Zusammenarbeit mit dem SKF. Seit der Schließung der dortigen Geburtsstation hat das Helios-Klinikum stillschweigend diese Aufgabe übernommen. Doch ohne eine konkrete Zusammenarbeit mit den Fachkräften des SKF. „Eine vertrauliche Geburt gab es bislang noch nicht bei uns“, sagt Klinik-Sprecherin Marina Dorsch auf Nachfrage der WZ.

Ob Mädchen oder Frauen, die in Extremsituationen ihre Schwangerschaft völlig ausblenden und ihr Kind töten, überhaupt das Angebot einer Babyklappe oder vertraulichen Geburt nutzen würden, ist bei Kriminologen und Psychologen umstritten.

Deshalb gibt es in Krefeld seit 2007 zusätzlich den Schwangerennotruf unter der Telefonnummer 653 52 51. Der ist rund um die Uhr, sieben Tage die Woche erreichbar. Über 500 Anrufe sind bis heute dort eingegangen. Laut SKF-Mitarbeiterin Sabine Heimes waren knapp die Hälfte davon ernst zu nehmen. „Insgesamt 20 Prozent aller konkreten Hilfesuchenden befanden sich in einer Krisensituation und fühlten sich durch die Schwangerschaft in einer ausweglosen Situation gefangen.“

So vermutlich auch die Mutter des vor 14 Tagen aufgefundenen toten Mädchens. Seelsorger und Pfarrer Michael Hack hat ihm den Namen Silvia gegeben. Er wollte den Säugling nicht in Anonymität bestatten. In der vergangenen Woche ist Silvia unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beerdigt worden. Seine Mutter kann sich vertraulich bei Hack melden unter Telefon 52 42 54 (KR-Festnetz) und 0172/29 70 599 (mobil).

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