Kriegsgräber verwittern auf dem Uerdinger Friedhof

Jahrelang ärgert sich Irmgard Krill über „totale Verwilderung“. Aktuell sind viele Namen der Gefallenen nicht lesbar.

Kriegsgräber verwittern auf dem Uerdinger Friedhof
Foto: Dirk Jochmann

Uerdingen. Irmgard Krill hat ihre zwei Onkel nie kennengelernt. Der Bruder ihrer Mutter kam im Zweiten Weltkrieg 1943 beim großen Luftangriff in Düsseldorf ums Leben, der Bruder ihres Vaters starb ein Jahr zuvor. Der regelmäßige Besuch der Kriegsgräber der Gefallenen auf dem Uerdinger Friedhof gehört für Irmgard Krill seit ihrer Kindheit dazu. „Schon mit vier Jahren bin ich immer sonntags mit meiner Oma zum Friedhof gegangen. Für sie war es ganz schlimm, ihren Sohn schon so jung verloren zu haben. Das prägte mich von meiner Kindheit an.“

Schon lange lebt die heute 70-jährige Irmgard Krill in Augsburg, kommt aber mehrmals im Jahr mit ihrem Mann zurück in ihre Heimatstadt — auch um dann die Gräber der gefallenen Onkel in Uerdingen zu besuchen. In den vergangenen Jahren mit wachsender Verzweiflung über den Zustand der Grabsteine. Jahrelang sieht Krill dabei zu, wie die Gräber zunehmend verwildern, im Herbst 2015 schreibt sie der Stadt, Uerdingens Bezirksvorsteher — ohne Resonanz. Als der Ärger unerträglich wird, wendet sich Krill an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, erhält die Antwort, man kümmere sich, doch dann passiert wieder nichts. Etliche E-Mails gehen von Augsburg nach Essen.

Krill macht Fotos, zuletzt im vergangenen Herbst. Sie zeigen zugewucherte Gräber, voller Moos, mit blühenden Diesteln neben den Platten — „die totale Verwilderung“, sagt die 70-Jährige. Sie sei „maßlos enttäuscht, weil die Menschen, die im Krieg so grundlos gestorben sind, in Vergessenheit geraten, wenn die Gräber nicht gepflegt und in Ehren gehalten werden“. Zuständig für die Instandhaltung der Kriegsgräber ist die Stadt.

Nach zweieinhalb Jahren sind ihre hartnäckigen Bemühungen offenbar an der richtigen Stelle angekommen. Von „totaler Verwilderung“ ist heute an den Gräbern nichts mehr zu sehen. Die Büsche sind frisch geschnitten, einige Grabplatten zieren Frühlingsblumen. Seit den letzten zwei Besuchen an den Gräbern ihrer Onkel sei sie endlich nicht mehr wütend, sagt Irmgard Krill, „es sieht jetzt alles gepflegt aus“. Einzig: „Die Namen der Gefallenen auf den Grabplatten sollten lesbar sein“, wünscht sie sich. Tatsächlich sind einige Steine so verwittert, dass man darauf nichts mehr erkennen kann. „Was ist, wenn es irgendwann keine Angehörigen mehr gibt, die an die Kriegsgefallenen erinnern, sie in Ehren halten?“, fragt sie.

Umso wichtiger findet Krill Aktionen wie die der Montessori-Schule: Zuletzt hatten Schüler einzelne Platten der Kriegsgräber auf dem Krefelder Hauptfriedhof gereinigt, um die Namen darauf wieder erkennbar zu machen. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. „Der Namen jedes Einzelnen, der so unnötig gestorben ist, darf nicht in Vergessenheit geraten“, findet Krill.

Die Stadt betont, sie sei sich „ihrer Verantwortung für die Kriegsgräberfürsorge bewusst. Da viele Aufgaben, die die Sicherheit der Besucher und den reibungslosen Ablauf der Beerdigungen auf den Krefelder Friedhöfen betreffen, vorrangig behandelt werden müssen, kann es gelegentlich zu Verzögerungen kommen.“ Die Reinigung der Grabsteine habe sich als aufwendig erwiesen. Eine Stadtsprecherin sagt: „Deshalb suchen wir derzeit nach praktikablen Lösungen. Wer Unterstützung anbieten kann, darf sich bei Heike Blondin oder Frank Schlotterhose in der Friedhofsverwaltung melden.“

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