HANDWERK Antreiben statt angetrieben werden

Krefeld · Im Spagat zwischen Tradition und Innovation sieht der neue Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Marc Peters, die Herausforderung für die Zukunft.

 Marc Peters, Hauptgeschäftsfüher der Kreishandwerkerschaft, in seinem Büro am Westwall.

Marc Peters, Hauptgeschäftsfüher der Kreishandwerkerschaft, in seinem Büro am Westwall.

Foto: Ja/Bischof, Andreas (abi)

Bilder von Herbert Zangs und Thomas Mack hängen an der Wand – und Buntstiftzeichnungen auf Büttenpapier, genauso ordentlich eingerahmt, von Marc Peters. Die künstlerische Ader seines Vaters, der Gold- und Silberschmied war, hat sich fortgepflanzt, auch wenn der Sohn in eine andere Richtung ging. Marc Peters ist Jurist. Er trägt gerne Jeans zu Hemd, Krawatte, Anzugjacke. So sitzt er am Schreibtisch im frisch bezogenen Büro des Hauptgeschäftsführers der Kreishandwerkerschaft, das im großen Gegensatz zum Rest der Etage steht. Im Flur sind Wände aufgerissen – wegen eines Wasserschadens. In der Etage darüber hatten Handwerker die Hähne nicht abgedreht. „Leider hat die Arbeiten kein Innungsfachbetrieb übernommen“, kommentiert der 49-Jährige mit Bedauern in der Stimme.

Herr Peters, warum wäre das ein Unterschied gewesen?

Marc Peters: Dann wäre so ein Fehler nicht passiert, unter anderem, weil Innungsbetriebe auf dem neusten Stand der Technik sind, Wert darauf legen, dass sie gute Mitarbeiter haben,  durch regelmäßige Fortbildungen geschult.

Gibt es eine Schere zwischen solchen Betrieben und anderen, die sie im viel diskutierten Billiger-billiger-Wettbewerb auch unter Handwerkern unterbieten können?

Peters: Innungsfachbetriebe sind über ihre Mitgliedschaft in der Innung gleichzeitig auch Mitglieder des jeweiligen Fachverbandes. Von dort erhalten sie nicht nur Fachinfos in technischer, sondern auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht, also zum Beispiel zu der Frage, wie ein Stundenverrechnungssatz kalkuliert werden soll. Gerade bei öffentlichen Aufträgen mit Vergabeverfahren fragen sich unsere Innungsfachbetriebe oft, wie ein Mitbewerber einen Preis anbieten kann, der seriös nicht zu kalkulieren ist. Privaten Auftraggebern kann man nur raten, genau zu überlegen. Für sie ist billiger nicht immer günstiger. Und ein Handwerker vor Ort hat selbstverständlich auch ein Interesse daran, dass die von ihm gelieferte Qualität gut ist, weil sich so was rumspricht. Positiv wie negativ.

Wenn das alles so gut laufen kann, warum brauchen Handwerker dann Ihre Interessenvertretung?

Peters: Ich sehe zwei Säulen. Wir sind Dienstleister für die Mitgliedsbetriebe, bieten zum Beispiel Rechtsberatung und -vertretung vor Arbeits-, Verwaltungs- oder Sozialgerichten, aber auch außergerichtliche Beratung in allen betrieblichen Belangen. Wir sind sozusagen das Anwaltsbüro der Innungsbetriebe. Wir bieten auch Inkassodienstleistungen, zum Beispiel dann, wenn Kunden nicht zahlen wollen. Das betrifft alle Gewerke, auch den Fleischer mit Party-Service, dessen Büfett fürs Familienfest vom Kunden nicht bezahlt wird. Auch sonst bietet die Mitgliedschaft in der Innung verschiedene finanzielle Vorteile durch Rahmenverträge, die wir abgeschlossen haben. Die andere Aufgabe ist genauso wichtig. Wir sind das lokale Sprachrohr des Handwerks, also für die Interessen von rund 14 500 Betriebe mit rund 55 000 Mitarbeitern. Das Motto der Image-Kampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks sagt alles: „Das Handwerk: Die Wirtschaftsmacht von nebenan.“ Das sind wir. Aber das ist noch nicht bei allen  angekommen. Noch besteht ein Problem in der Wahrnehmung.

Wie wollen Sie das ändern?

Peters: Indem wir uns durchaus auch verstärkt zu bestimmten Themen politisch äußern, wie zur der Dieselfrage, die auch für die Handwerksbetriebe von großer Bedeutung ist. Wir müssen das Handwerk mehr in die Köpfe reinbringen. Die Kampagne ist nicht ohne Grund aufgelegt worden. Das Handwerk steht imagemäßig immer noch nicht so da, wie es sein müsste. Und mit dieser Tatsache hat der Fachkräftemangel eng zu tun. Ausbildungen im Handwerk finden viele nicht so sexy. Von einem Abiturjahrgang gehen 50 bis 60 Prozent ins Studium, die sind erst einmal weg. Sieben bis acht Prozent eines Jahrgangs sind nicht ausbildungswillig oder -fähig. Damit bleiben noch ungefähr 40 Prozent, die man für eine duale Ausbildung gewinnen kann. Daraus muss man versuchen, Fachkräfte generieren. Das ist schwierig. Das Handwerk ist mit seinen 130 Ausbildungsberufen nicht allein. Es gibt von Seiten der Industrie- und Handelskammern 400 duale Ausbildungsberufe.

Wie können Sie fürs Handwerk werben?

Peters: Die Ausbildung im Handwerk ist die beste Zukunftsinvestition. In den Köpfen mancher Jugendlicher ist angekommen, dass man nicht studieren muss, nur weil man Abitur hat. Wenn wir das auch noch in die Köpfe der Eltern bekommen… Auch, dass eine Karriere im Handwerk nicht mit dem Gesellenbrief endet, sondern vielfältige Möglichkeiten bestehen, voran zu kommen. Wer weiß schon, dass es duale Studien, triale Studien und vielfältige Fortbildungen gibt. Der Meisterbrief entspricht im Rang dem Abitur, man kann also noch ein Studium dranhängen, auch ohne Abitur gemacht zu haben. Man kann Betriebswirt im Handwerk werden. Und als Azubi bekommt man von Anfang an eine Vergütung, als Geselle verdient man schon in jungen Jahren gutes Geld – das sieht bei Studenten anders aus, die zahlen erst mal für ihr Studium, ohne zu wissen, ob sich das nachher auszahlt.

Was möchten Sie jungen Menschen sagen?

Peters: Handwerk ist Tradition und Innovation. Ich sage immer, das Beständige im Handwerk ist der Wandel. Durch Digitalisierung, Smart Home, E-Mobilität gibt es hochspannende Berufe, fortschrittlich und innovativ. Tischler arbeiten heute mit CAD-unterstützten Maschinen, Konditoren mit 3D-Druckern, Dachdecker mit Drohnen, die vermessen. Der Sanitärbetrieb der Zukunft zeigt seinen Kunden das neue Bad mit 3D-Brille, bevor es los geht.

Das ist die Zukunft des Handwerks. Wo sehen Sie die Kreishandwerkerschaft in zehn Jahren?

Peters: Mein Ziel ist eine Kreishandwerkerschaft, die sich weiterentwickelt hat und den Anforderungen der Zeit gewachsen ist, die Tradition und Innovation entspricht und aus dem Wandel heraus arbeitet. Ich möchte lieber antreiben als angetrieben werden.

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