Krefeld Krefelder Tafel: So viel mehr als Bratkartoffeln

Die Krefelder Tafel versorgt pro Woche 4000 Menschen mit Essen und Zuwendung.

Krefeld. Die Besucher der Krefelder Tafel eint ihr leerer Geldbeutel und die Tatsache, dass es das Schicksal nicht gut mit ihnen gemeint hat. An der Friedrich-Ebert-Straße erfahren diese Menschen viel Herzlichkeit, Zuneigung irgendwie. Es sind Menschen wie Klaus Weber, die das zu schätzen wissen: „Das Personal ist klasse.“

Was der Stammgast als Personal bezeichnet, sind engagierte Ehrenamtler. In Bockum, überall in Krefeld. Wie groß dieses kleine Unternehmen mittlerweile geworden ist, hätte Pfarrer Teut wohl nicht zu träumen gewagt, als er gemeinsam mit Liesel Ploenes und anderen guten Geistern vor 20 Jahren hier in der Herz-Jesu-Gemeinde in Bockum die Tafel gründete. Eine traurige Erfolgsgeschichte, am Sonntag wird der 20. Geburtstag feierlich begangen.

Klaus Weber ist 66 Jahre alt und Gast der ersten Stunde. Er hat die wilden 68er erlebt. „Ich war mit Autor Rainer Langhans und Model Uschi Obermeier gut bekannt, konnte nur nicht in ihre Kommune, weil ich unter 18 Jahre alt war“, berichtet er. „Die Hippie-Szene habe ich in Berlin, Schweden und Holland voll ausgekostet, zehn Jahre nicht gearbeitet, sondern wild gelebt.“ Der gebürtige Troisdorfer hat dann seine Frau kennengelernt, ist nach Neukirchen-Vluyn gekommen und hat als Hausmeister gearbeitet. „Als meine fünf Söhne erwachsen waren, habe ich mich von meiner Frau getrennt und wohne jetzt in Krefeld.“

Er liege der Stadt nicht auf der Tasche, betont er. „Die Arroganz der Sozialamts-Mitarbeiter hat mir nicht gefallen. Ich bin Rentner, extrem arm aber glücklich.“ 500 Euro hat Weber monatlich zur Verfügung. 150 gehen für die Miete ab und vom Rest versucht er zu leben. Das Fazit lautet, dass am Ende des Geldes noch viel Monat übrig ist. „Zwei Wochen schaffe ich alleine, dann wird es eng“, sagt Weber, ein echter Typ, mit geflochtenem und gepflegtem Fünf-Jahres-Bart.

Webers Hobby: „Ich kann für 40 Euro 27 Stunden durch Deutschland fahren, besuche Berlin und Hamburg.“ Und wenn das Geld aufgebraucht, kein Cent mehr in der Tasche ist, besucht er die Tafel. „Hier werden fast alle Wünsche erfüllt. Es gibt fleischloses Essen oder halbe Portionen.“ Und mit einem Lächeln sagt er: „Es gibt keine Speisekarte, aber Wünsche darf man äußern.“

Hinter dieser Menschlichkeit steht ein beachtliches Zahlenwerk. Die Krefelder Tafel 2016, das sind 140 Ehrenamtler, sechs Ausgabestellen, zwei Büros, fünf Kühlfahrzeuge, 4000 Besucher pro Woche, davon 200 Hartz IV-Bezieher, etliche Sponsoren und Unterstützer, 700 Tonnen Lebensmittel bei einem Mindest-Spendenbedarf von 100 000 Euro pro Jahr.

Werner Tillmanns (51) kommt seit fünf Jahren montags, mittwochs und freitags zur Tafel. „Ich bin aus Nettetal, habe als Kind im Heim gelebt und später bei meiner Mutter.“ Trotz des Hauptschulabschlusses hat er keinen Job gefunden und sich als Ein-Euro-Jobber durchgeschlagen. Als die Mutter im Jahr 1996 verstarb, bezog er eine Wohnung in Stahldorf und lebt jetzt von der Grundsicherung.

Das hält ihn nicht davon ab, ehrenamtlich in der Bahnhofsmission zu arbeiten. „Montags und dienstags gebe ich dort Kaffee aus und erledige Küchenarbeiten.“ Zugreisen mit dem Sozialticket sind auch sein Hobby. „Ich fahre nach Kleve oder Kevelaer“, erzählt er. Außerdem pflegt er eine wahre Tafelrunde. Wenn er den Mittagstisch in Krefeld nicht besucht, isst er in Mülheim-Heißen oder nimmt Brot und Wurst mit nach Hause. „Ich mag gerne Bratkartoffeln mit Spiegelei“, erzählt er. „Ich bin nicht wählerisch.“

Markus (55) will lieber nur Markus genannt werden. Er lobt: „Die Vielfalt hier ist klasse, täglich gibt es etwas Anderes. Drei Gänge und auf Wunsch noch Nachschlag.“ Eigentlich hatte er eine andere Lebensperspektive. „Ich habe an der Hochschule in Mönchengladbach Betriebswirtschaftslehre studiert und war zuletzt im EDV-Bereich selbstständig. Als die Aufträge ausblieben, musste ich wirtschaftliche Insolvenz anmelden. Da ich drei Jahre lang keine Arbeitslosenbeiträge gezahlt habe, ist mein Anspruch erloschen.“ Markus ist alleinstehend und besaß sogar mal eine Eigentumswohnung.

Irmgard Hausmanns hilft seit 13 Jahren im Büro. Sie kennt so viele Schicksale. Wünsche zum Jubiläum? „Verständnis, Akzeptanz und ein freundliches Lächeln auf allen Seiten.“ Bescheiden, aber wichtig.

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