Engagement „Für Menschen im Rollstuhl werden Bagatellen zur Katastrophe“

Süd · Eine 86-jährige Frau kämpft seit zwei Jahren für Bordsteinabsenkungen im Südbezirk. Jetzt haben die Arbeiten begonnen. Doch dabei lässt es Inge Model nicht bewenden.

 An der Kölner Straße Ecke Melanchthonstraße werden die Bordsteine abgesenkt.

An der Kölner Straße Ecke Melanchthonstraße werden die Bordsteine abgesenkt.

Foto: Andreas Bischof

Inge Model ist 86 Jahre alt und seit sieben Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen. Doch im Kopf und in den blitzenden Augen, da ist sie erst 25. Von Ruhestand kann bei ihr keine Rede sein. Voller Tatendrang packt sie vielmehr Probleme an, die im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße liegen – und beweist dabei eine bemerkenswerte Hartnäckigkeit, die sich jetzt auch ausgezahlt hat.

Seit dem 22. August 2017, es war ihr Geburtstag, kämpft sie per Antrag dafür, dass im Südbezirk an mehreren Straßen die Bordsteine abgesenkt werden. Es geht um die Kochstraße, Melanchthonstraße und Virchowstraße, die bisher für Rollstuhlfahrer, Senioren mit Rollator oder Mütter mit Kinderwagen, die sich auf der Kölner Straße in Richtung Innenstadt bewegen, eine kaum zu bewältigende Barriere darstellen. Doch das ändert sich jetzt: Die geforderte Barrierefreiheit ist von der Stadt  genehmigt worden, vor wenigen Tagen haben auf der Melanchthonstraße die Arbeiten begonnen.

300 Unterschriften hat sie für die Absenkung gesammelt

„Ich bin so stolz, dass ich das endlich geschafft habe“, sagt die 86-Jährige und lacht fröhlich. Nachdem zuvor alle schriftlichen Eingaben an die Stadt sowie alles Betteln und Flehen nichts gebracht hatten und sie immer wieder vertröstet wurde, schaltete sie schließlich Bezirksvorsteherin Gisela Brendle-Vierke und sogar Oberbürgermeister Frank Meyer ein. Aus dessen Büro kam vor wenigen Tagen dann der Anruf: „Frau Model, die Arbeiten gehen los.“

Zwischenzeitlich hatte die kämpferische alte Dame sogar schon eine Demonstration zur Durchsetzung ihrer Forderungen ins Auge gefasst. Es wären sicher viele Teilnehmer zu dieser Demo gekommen: Am Supermarkt zwischen Fütingsweg und Kochstraße hatte Inge Model rund 300 Unterschriften für die Bordsteinabsenkungen gesammelt.

Eine Mitstreiterin hat sie in Gisela Brendle-Vierke gefunden: „Unser Sternzeichen ist Löwe, wir können kämpfen.“ Und das nicht nur, wenn es um Bordsteinabsenkungen geht. So konnte die Bezirksvorsteherin helfen, als sich Inge Model  vor zwei Jahren für eine Gehweg-Reparatur auf der Thywissenstraße, wo sie auch wohnt, einsetzte. Sie hatte sich dort zuvor an den kaputten Gehwegplatten ihren Elektrorollstuhl kaputt gefahren.

Die Platten wurden repariert – doch damit bewenden lässt es die 86-Jährige nicht. Auf ihren regelmäßigen Runden durch den Südbezirk stellt sie immer wieder fest, wo es für behinderte und alte Menschen schwierig wird. „Für Menschen im Rollstuhl werden Bagatellen zur Katastrophe“, sagt sie. Und kündigt an, sich auch weiterhin für deren Belange besonders zu engagieren.

Auch die Sauberkeit auf den Straßen im Bezirk liegt ihr sehr am Herzen. Als „Mülldetektivin“ macht sie den Kommunalbetrieb Krefeld auf Stellen aufmerksam, an denen es besonders schlimm aussieht – zum Beispiel an der Seyffardtstraße hinter dem Helios, wo unweit von zwei Kindergärten vor allem an den Wochenenden regelmäßig große Müllmengen abgeladen werden. „Erst vor 14 Tagen haben da morgens mal sieben Kühlschränke gestanden“, ergänzt Brendle-Vierke.

Anfangs benutzte die „Mülldetektivin“  noch Stift, Block, Telefon und ein altes Faxgerät für ihre Arbeit. Mittlerweile hat sich Inge Model, die auch dem Bürgerverein Lehmheide beigetreten ist, ein modernes Smartphone zugelegt. Damit fotografiert sie die wilden Müllkippen und schickt das Bild  gleich an den Krefelder Mängelmelder „Maak et“. Auch um Löcher in den Straßen kümmert sie sich. Es dauere dann längstens 48 Stunden, bis die Mängel beseitigt seien.

Bezirksvorsteherin Gisela Brendle-Vierke ist der 86-Jährigen sehr dankbar für dieses Engagement. Vielfach wisse man als Nicht-Behinderter gar nicht, welche Probleme sich im Alltag auftun können. „Sie bringt mich dazu, den Fokus zu ändern“, sagt die Politikerin – und Inge Model lächelt.

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