Vereinbarkeit von Familie und Beruf Krefelder Familienberatung: Konzentration auf Stärken statt Schwächen

Krefeld · Als eine Investition in die Zukunft bezeichnen Renate Berthold, Barbara Klein und Guido Trappmann das Angebot des Beratungszentrums für Familien und Beruf in der Fabrik Heeder. Ihr Ziel ist es, erwerbslose und von Erwerbslosigkeit betroffene Familien und im Besonderen Alleinerziehende zu stärken, ihnen Mut zu machen und ihnen zu helfen, ein eigenständiges Leben zu führen.

 Renate Berthold, Guido Trappmann und Barbara Klein (v.l.) helfen jungen Familien und Alleinerziehenden bei der beruflichen Orientierung.

Renate Berthold, Guido Trappmann und Barbara Klein (v.l.) helfen jungen Familien und Alleinerziehenden bei der beruflichen Orientierung.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Was sich auf den ersten Blick einfach anhört, ist ein langer Weg. Auf dem laut Berthold eigentlich alle nur gewinnen können, die Kinder, ihre Familien und letztendlich auch die Kommune.

Berufstätigkeit stärkt Selbstwertgefühl

Berthold als Sachgebietsleiterin, Klein als Fachkraft und Trappmann als Abteilungsleiter der Kommunalen Zentralstelle für Beschäftigungsförderung, zu der das Beratungszentrum gehört, denken ganzheitlich. „Sind Eltern beispielsweise arbeitlos, sind auch die Kinder in einer schwierigeren Situation als in unbelasteten Familien“, so Trappmann. Und Berthold ergänzt: „Das beginnt schon bei der dann oftmals fehlenden Tagesstruktur bis hin zu der Botschaft an die Kinder, du kannst auch von Transferleistungen leben und brauchst selbst nichts dafür zu tun.“ Dabei stärke die eigene Berufstätigkeit das Selbstwertgefühl und signalisiere Kindern, vor Problemen muss man nicht weglaufen, sondern nach Lösungen suchen und sich gegebenenfalls dafür auch Unterstützung suchen.

„In einer Gesellschaft, die vordergründig auf Schwächen guckt und einem immer und immer wieder zurückmeldet, das kannst du nicht, ist es vor allem für Menschen mit solchen Erfahrungen wie ein Turbo, wenn wir gemeinsam ihre Stärken herausarbeiten“, sagt Trappmann. Die immer wieder zu hörende Erkenntnis „Ich kann ja doch etwas!“ sei der Grund dafür, dass er immer noch gerne in diesem nicht einfachen Bereich arbeite.

Alleine dass Menschen in das Beratungszentrum kommen, weil sie nach Hilfe suchen, sei der erste wichtige Schritt. Das könne in einem akuten Notstand sein, wenn zum Beispiel wie vor ein paar Tagen einer alleinerziehenden jungen Mutter mit Kind bei dieser Kälte der Strom abgestellt wurde, weil sie wiederholt ihre Rechnungen nicht bezahlen konnte. „Da klemmen wir uns direkt ans Telefon, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden, aber auch die drohende Wohnungsräumung in einem nächsten Schritt, wenn die finanzielle Situation der Frau nicht verbessert wird.“

Probleme durch schlechte oder gar fehlende Ausbildung

Die Problemlagen im Beratungszentrum sind laut Berthold bunt: Erzieherische Probleme, Gewalterfahrung, auch Suchtprobleme, aber heraus stechend seien oftmals die schlechte oder gar fehlende Ausbildung sowie daraus letztendlich resultierend die Wohnungssituation. „Hier gilt es, Lösungen im persönlichen Beruf zu erarbeiten ebenso wie eine berufliche Orientierung“, ergänzt Trappmann. 

Rund 100 Ratsuchende im Jahr zählt das Team, von denen etwa 70 über einen längeren Zeitraum beraten und betreut werden. Die Hälfte von ihnen sind alleinerziehende Frauen, ohne eigene Existenzsicherung.

Berthold arbeitet seit 1997 in dem Bereich. Anfang 2000 hatte sie im Rahmen der Beschäftigungsförderung angefangen, mit Berufsrückkehrerinnen zu arbeiten. Gemeinsam mit dem Jobcenter, das die Finanzierung übernahm, wurden zahlreiche Angebote für Frauen und Alleinerziehende gemacht. Nach den ersten Jahren des Mutterseins standen die wegen einer fehlenden Ausbildung oftmals mit leeren Händen da und waren abhängig von Transferleistungen oder einer Zweckpartnerschaft. Selbstbestimmtes Leben sieht anders aus.

Seit 2019 finanziert die Stadt nun selber das Beratungsangebot, nachdem das Jobcenter bei der Finanzierung ausgestiegen ist. „Ziel ist eine Berufsaufnahme, doch zunächst muss die richtige Beschäftigung gefunden werden; die kann beispielsweise in geschützten Maßnahmen zunächst ausprobiert werden“, erzählt Berthold.

Seit dem erneuten Lockdown sind keine Gruppenangebote im Beratungszentrum mehr möglich. Sehr bedauerlich, findet das Team. Denn in der Gruppenarbeit haben die Menschen teils nach sehr langer Zeit erst wieder angefangen, Kontakt zu anderen aufzunehmen und so ein eigenes soziales Netzwerk zu spannen. Dadurch seien echte wie auch Zweck-Freundschaften entstanden, wo sich die Teilnehmerinnen gegenseitig geholfen haben und auch mal auf die Kinder der anderen aufgepasst haben.

„Wenn für einen einzigen Fall wegen einer eigenen Arbeit kein Hartz-IV oder Hilfe zum Lebensunterhalt gezahlt werden muss, hat sich unsere Arbeit schon gelohnt“, sagt Berthold. Personell sind die drei Stellen des Beratungszentrums mit vier Kräften besetzt. „Zu wenig“, sagen Trappmann und Berthold. Ihre Arbeit sei schließlich eine Investition in die Zukunft und spare viel Geld, wenn Familien nicht mehr auf Transferleistungen angewiesen sind, sondern ihr Leben selbst bestreiten können. „Die kriegen das auch mit Unterstützung geregelt“, lautet die Erkenntnis Trappmanns aus vielen Jahren der Arbeit in der Beschäftigungsförderung.

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