Kultur Überreste einer untergegangenen Kultur

Krefeld/Neersen · Der Krefelder Design-Professor Gerhard Hahn zeigt im Schloss Neersen archaisch anmutende Tonplastiken.

Ausstellung „Transitus“ des Krefelder Design-Professor Gerhard Hahn. Diese Installation heißt „Fluß“.

Ausstellung „Transitus“ des Krefelder Design-Professor Gerhard Hahn. Diese Installation heißt „Fluß“.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Gerhard Hahn ist seit 2002 Professor für Keramik-, Porzellan- sowie Glasdesign und Formgestaltung am Fachbereich Design der Hochschule Niederrhein. Seine Aktivitäten als Künstler hat er aber deswegen keineswegs aufgegeben. Dass er vor seinem Kunststudium in Düsseldorf auch noch eine Ausbildung zum Ingenieur absolviert hat, schlägt sich sinnfällig in seinen großformatigen Objekten nieder, die oftmals in Kooperation mit der Industrie entstehen. Die Ausstellung „Transitus“ in der Galerie des Schloss Neersen versammelt Arbeiten Hahns aus den letzten Jahren. Sie wird am Sonntag um 11 Uhr eröffnet.

Bremsscheiben und
Raumfahrzeuge

Ein zentrales Objekt der Ausstellung ist in der Firma Schunk Ingenieurkeramik in Willich entstanden. Die Firma besitzt weltweit den einzigen 3D-Drucker, in dem Siliciumcarbid zu Objekten geformt werden kann, die dann noch bei 1500 Grad Celsius gebrannt werden. Das extrem harte und hitzebeständige Material findet normalerweise Verwendung in den Hitzeschildern von Raumfahrzeugen oder bei Bremsscheiben. Hahn hat mit Hilfe eines Computers sein Objekt „Lord of the Lies“ („Herr der Lügen“) für die Herstellung im 3D-Drucker vorgeplant.

Der Korpus mit den Abmessungen 50 mal 35 mal 50 Zentimeter ergibt das Abbild eines Monitors, der sich allerdings aus einer Lamellenstruktur zusammensetzt. In die Lamellen eingebettet sind Aussparungen. Die Lamellen gewähren je nach Blickwinkel mehr oder weniger Durchblick durch das Objekt und auf die Aussparungen in ihm, so dass sich im Auge eines sich bewegenden Betrachters kein eindeutiges Bild ergibt. „Bildstörung“ heißt treffend der Titel der Serie, zu dem dieses Objekt gehört. Hahn zeigt in der Ausstellung auch noch zwei weitere Lamellenobjekte, diese hat er aber aus Ton gefertigt.

Die Serie „Was ist die Seele?“ aus dem Jahr 2014 zeigt lebensgroße Körperbilder, die sich aus mehreren Tontafeln zu Wandobjekten zusammensetzen. Von den Körpern sind nur die Silhouetten zu sehen. Die Objekte entstehen im Schwarzbrandverfahren. Dabei kommt es im Brennofen an nicht abgedeckten Stellen zu schwarzen Rußeinfärbungen, die Silhouetten hat Hahn vorher auf spezielle Weise abgedeckt. Sie heben sich dann grau und fast plastisch aus dem umgebenden Ruß ab.

Pyrografie (Feuerschrift) nennt Hahn die von ihm entwickelte Technik der Kombination von Schwarzbrand und Darstellung, die Objekte wirken archaisch, wie Überreste einer vergangenen Kultur. Bei den Silhouetten der Serie „Was ist die Seele?“ wird so die Assoziation geweckt, dass es sich um Schattenrisse von Toten handelt.

Die Wandarbeiten der Serie „Soma und Psyche“ (Körper und Geist, 2017) sind ebenfalls im pyrografischen Verfahren entstanden. Auf ihnen sieht man Hände, Schädelaufsichten und -querschnitte. Einritzungen und Lochbohrungen überlagern die Schattenbilder wie kryptische Zeichen. Ihre Unlesbarkeit steht im Gegensatz zur unmittelbaren Erfahrbarkeit der Bildgegenstände.

Auch auf diese Werke blickt man wie auf die Überreste einer untergegangenen Kultur. Im Grunde aber stellt sich Hahn und seinen Betrachtern mit diesen Objekten vielleicht auch die Frage, was von unserer gegenwärtigen Kultur übrig bleiben wird. Und damit bilden seine Werke keinen Rückblick, sondern vielmehr die Vorschau auf einen Rückblick, den andere in der Zukunft auf die heutige Zeit und uns heutige Menschen werfen könnten.

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