Besinnung Ein Ort der Stille unweit des Dauerrauschens

Krefeld · Die Autobahnkapelle dient der inneren Einkehr. Aber künftig wird es keinen Zugang mehr von der A57 geben.

 Die Autobahnkapelle an der Raststätte Geismühle westlich der A 57 ist jeden Tag geöffnet.

Die Autobahnkapelle an der Raststätte Geismühle westlich der A 57 ist jeden Tag geöffnet.

Foto: dj/Dirk Jochmann (DJ)

Hahn und Hühner scharren im Wäldchen hinter der Autobahnkapelle. Hinter dem Panoramafenster laufen sie um einen kleinen Tümpel voller grüner Wasserlinsen herum. Ihr Gackern ist in der Kapelle nicht zu hören. Es ist still hier. Ein Ort der äußeren Ruhe und inneren Einkehr – wenn die Tür geschlossen ist. Denn sonst dringt das Fahrzeugrauschen von der A57 unaufhörlich hinein.

Die Einrichtung ist minimalistisch: Zwei Bänke sind so im Boden verankert, dass Besucher sich an den rauen Backsteinwänden anlehnen können. Dann kann ihr Blick sich an der runden Bronzeskulptur im Zentrum des kleinen Gotteshauses festhalten oder ins Grün hinter den großen Scheiben schweifen.  Vor der Skulptur mit ihrem Minialtar stehen zwei Blumentöpfe mit künstlichen Begonien. Jemand hat ein paar echte Sonnenblumen in einer alten Weinflasche dazugestellt. Zwei rote Grableuchten flackern auf zwei riesigen Kerzenständern. Nur noch ein paar Stunden und sie werden heruntergebrannt sein. Aber dann wird einer der stillen Helfer aus der nahegelegenen Siedlung sich darum kümmern. Und auch sonst nach dem Rechten sehen. Es ist sauber. Wie es sich für eine Kapelle gehört. Und wie man es an einer Autobahn vielleicht nicht erwarten würde.

Die Wand am Eingang ist Zeuge der letzten Besuche der Sternsinger. Allerdings ist es schon eine Weile her, dass sie ihren Segen gebracht und C + M + B hier aufgemalt haben. 2009, 2012 und 2013 waren sie zum letzten Mal da. Auf dem kleinen Regal unter diesen Kreidezeichen, einer dezent lackierten halben Baumscheibe, liegt ein Büchlein: eine kleine schwarz-rote Kladde. Sie zeugt von den Stunden oder auch nur Minuten, die Menschen in den vergangenen Monaten in dieser Kapelle verbracht haben.

Sorgen, Nöte und Ängste
sind im Anliegenbuch notiert

Ihre größten Sorgen und Nöte, ihre Ängste haben sind im Anliegenbuch notiert. In Deutsch, Niederländisch, Polnisch und Russisch sind auch ihre innigsten Wünsche oder besonderen Momente in Worte gefasst. Auf mehr als 40 Seiten haben sich seit Juli Besucher verewigt. Manchmal sind es kleine Randnotizen wie „Ich bin endlich wieder in meiner Lieblingskapelle“ oder „Danke für eine wundervolle Woche“. Im August hält ein Besucher schriftlich fest: „Gott, ich danke dir, dass es uns gut geht. Halte weiter deine schützenden Hände über uns.“ Einige bitten eindringlich „Gott, steht mir bei“ oder „Lasse sie gesund werden“. Bewegend sind Einträge wie „Danke, dass ich eine Tochter hatte“, „Wir sehen uns wieder. Aber jetzt noch nicht. Es hat noch Zeit“ oder „Für alle Freunde, die gegangen sind. Für alle neuen Freunde. Für meine Familie“.

Die Tage sind gezählt, in denen gläubige Berufskraftfahrer, Menschen auf dem Weg in den Urlaub oder wieder nach Hause und viele andere auf der A57 Reisende die Kapelle mit ihren 35 Quadratmetern nutzen können. Mit dem Ausbau der Strecke wird auch eine Lärmschutzwand entstehen, die den kleinen Sakralbau – und vor allem auch die Geismühle – sozusagen von der Autobahn abschneidet. Es bleibt: eine Autobahnkapelle ohne Zugang von der Autobahn.

Auf dem Gelände der geplanten neuen Raststätte auf der anderen, der Ost-Seite der A57 wird stattdessen von den Planern eine Fläche freigehalten. „Autobahnkapelle“ steht auf den aktuellen Bauplänen neben einem kleinen Quadrat. Laut Straßen NRW haben beide Kirchen Interesse angemeldet.

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