Krefeld wird fast kampflos erobert

Der Widerstand flammt nur kurz auf. Nach der Eroberung werden zunächst Häuser durchsucht und auch geplündert.

Krefeld wird fast kampflos erobert
Foto: Stadtarchiv

Krefeld. Im Morgengrauen des 2. März 1945 ist die Anspannung zum Zerreißen angewachsen. Im Süden Krefelds, zwischen Fischeln und Forstwald warten rund 200 Polizisten, 500 Volkssturmleute sowie eine Gruppe aus 80 zusammengewürfelten Soldaten darauf, dass die US-Infanterie angreift. Aus Neersen nahte Verstärkung durch die Panzer-Lehr-Division. In der Nacht hatte der Kommandeur den ganzen Proviant ausgeben lassen.

Krefeld wird fast kampflos erobert
Foto: Stadtarchiv

Im Süden war Neuss kampflos erobert worden. Doch die stärksten Einheiten in Krefeld, zwei Fallschirmjäger-Bataillone sind zum Schutz der Rheinbrücke bei Uerdingen abgezogen worden. Die Männer wissen, dass sie auf verlorenem Posten stehen. Es geht nur noch darum, möglichst viel Kriegsmaterial über die Brücke zu bringen, ehe sie gesprengt wird, damit sie nicht dem Gegner in die Hände fällt.

Krefeld wird fast kampflos erobert
Foto: Stadtarchive

Dennoch treffen die Amerikaner zunächst auf verbissenen Widerstand, der allerdings schnell zusammenbricht. Gegen 9 Uhr ist Fischeln bereits erobert und auch von Westen dringen Amerikaner in die Stadt ein, gegen 15 Uhr stehen sie am Hauptbahnhof. In Hüls, so berichten Zeitzeugen, habe der Kaplan unter großem persönlichen Risiko auf dem Turm der Kirche St. Cyriakus die weiße Flagge gehisst habe.

Krefeld wird fast kampflos erobert
Foto: Stadtarchiv

Von einigen Straßenkämpfen abgesehen, bleibt die große Schlacht um Krefeld zum Glück für Stadt und Bevölkerung aus. Laut Buchautor Ludwig Hügen ist bei Tagesende der südwestliche Teil der Stadt, der Westen und Hüls besetzt, die Frontlinie rückt stündlich weiter nach Uerdingen. Einzig am Bahndamm zwischen Oppum und Schlachthof setzt sich über Nacht noch eine Volkssturmabteilung fest, ehe sie sich tags darauf zurückzieht.

Wo die Amerikaner die Kontrolle übernehmen, richten sie Straßensperren ein und durchsuchen Häuser nach Soldaten, um nicht aus dem Hinterhalt angegriffen zu werden. Zugleich verhängen sie eine absolute Ausgangssperre. „Krefelder, die in einen anderen Teil der Stadt wollen, werden abgewiesen“, heißt es im Bericht von Lutz Breuning, den er zehn Jahre später in der WZ veröffentlichen wird. Nach wenigen Tagen wird die Sperrstunde allerdings gelockert, dann müssen die Krefelder ab Sonnenuntergang in ihren Häusern bleiben. „Das war als junger Mensch natürlich nicht schön“, stellt die heute 88-jährige Irmgard Manegold heute klar, „aber es war allemal besser, als die ganze Nacht dicht zusammengedrängt und mit Todesangst im Bunker zu verbringen.“

Bei aller Nachsicht verschaffen sich die Amerikaner mit martialischem Auftreten auch Respekt: „Die sind hier mit dem Panzer durch Hüls gefahren und wo ein Zaun im Weg stand, wurde er eben plattgewalzt“, erinnert sich Rudolf Bienbeck, damals acht Jahre alt. Auch eine Toreinfahrt nahe der Kirche, wo sich der US-Kommandeur einquartierte, war zu schmal für einen Panzer und sei deshalb eingerissen worden.

Vielfach entscheidend für die Einstellung der Krefelder zu den Amerikanern war die Entscheidung, ob ein Haus beschlagnahmt wurde, um Soldaten unterzubringen oder, ob die Krefelder in ihren vier Wänden bleiben konnten. „Meine Mutter war bis zu ihrem Tod nicht gut auf Amerika zu sprechen, weil in unserem Haus Geschirr kaputtging“, berichtet eine Fischelnerin, die nicht genannt werden möchte.

Elisabeth Kremers, Mitarbeiterin des Stadtarchivs, spricht in ihrem vor zehn Jahren erschienen Buch „Lucky Strikes und Hamsterfahrten“ berichtet zudem von Plünderungen. So seien Schmuck, Uhren, Fotoapparate und vor allem Alkohol bei den Durchsuchungen eingesetzt worden. Zudem spricht Kremers von drei Vergewaltigungen.

Unterdessen steht die Verwaltung vor einem Problem: Weil sich alle Militärs zurückgezogen haben, ist auch kein Kampfkommandeur zur Hand, der die Stadt an die Amerikaner übergibt und damit das Ende der Kämpfe festlegt. Es bedarf einiger Überredung, bis die Amerikaner glauben, dass es in den besetzten Stadtteilen nicht mehr zu Angriffen kommen wird und der Übergang zur Normalität angesteuert werden kann.

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