Krefeld: Wie IHK, Arbeitsagentur und Kreishandwerkerschaft in Corona-Zeiten junge Leute in Ausbildung bringen Erfolgreiche Aufholjagd auf dem Lehrstellenmarkt

Krefeld · In Krefeld wurden knapp zehn Prozent weniger Lehrverträge geschlossen. Was vielen Bewerbern fehlt: digitale Kompetenz.

 In der Region sank die Zahl der Ausbildungsverträge im Friseurhandwerk um 36 Prozent – eine Folge von Corona.

In der Region sank die Zahl der Ausbildungsverträge im Friseurhandwerk um 36 Prozent – eine Folge von Corona.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Von Annette Ludwig

Es sind denkbar ungünstige Voraussetzungen, in diesen Corona-Zeiten eine Lehrstelle oder einen Lehrling zu suchen. Wenig persönliche Kontakte, keine Berufsmessen oder Speed-Datings vor Ort, keine Besuche in Schulen, Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung: Und doch ist es der IHK Mittlerer Niederrhein, der Arbeitsagentur Krefeld und Kreis Viersen sowie der Kreishandwerkerschaft Niederrhein gelungen, viele junge Menschen in diesem Jahr in Ausbildung zu bringen. „Wir haben in den vergangenen Wochen eine erfolgreiche Aufholjagd geschafft,“ sagen Bettina Rademacher-Bensing, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Krefeld, und Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein.

Diese Aussage unterfüttern sie mit Zahlen: Die Zahl der bei der IHK neu eingetragenen Ausbildungsverträge lag (Stand 30. November) mit insgesamt 4004 Verträgen unter dem Vorjahresniveau (4448). Das entspricht „nur“, so Steinmetz, einem Minus von 9,9 Prozent. Krefeld schneidet dabei mit einem Minus von 7,9 Prozent besser ab als die anderen Regionen im Bezirk. So wurden in Krefeld 1045 (Vorjahr: 1135) Verträge abgeschlossen. Besonders begehrt waren in diesem Jahr Ausbildungsplätze für Kaufleute im Büromanagement, Kfz-Mechatroniker, Kaufleute im Einzelhandel und Industriekaufleute.

Die Corona-Pandemie verändert die Situation auf dem Ausbildungsmarkt, stellt Bettina Rademacher-Bensing fest. Eins könne man sagen: „Diese Jugendlichen sind sicher keine Generation, die gerne telefoniert.“ Auch Video-Formate würden nur zögernd angenommen. Da sei es in Zeiten der Kontaktbeschränkungen schon schwierig, zu beraten. Insgesamt werde eine deutlich größere Zahl Jugendlicher später als sonst üblich eine duale Ausbildung beginnen. „Für die Jugendlichen, die noch auf der Suche sind, gilt: Es gibt noch Chancen auf dem Ausbildungsmarkt“, so die Krefelder Arbeitsagentur-Chefin.

Insgesamt haben bisher mit 3555 Bewerberinnen und Bewerbern 548 junge Leute weniger als im Vorjahr bei der Berufsberatung nach einer Ausbildungsstelle nachgefragt. Ihnen standen 3503 bei der Arbeitsagentur erfasste Ausbildungsstellen gegenüber (minus 10,2 Prozent). Rein rechnerisch standen somit über das Ausbildungsjahr 100 Bewerberinnen und Bewerbern 99 Ausbildungsangebote offen (Vorjahr 100 zu 95).

Zum Ende des Berufsberatungsjahres am 30. September waren 405 Jugendliche bei der Agentur für Arbeit Krefeld/Kreis Viersen gemeldet, die noch eine Ausbildungsstelle suchten. Zugleich waren aber auch 321 Stellen nicht besetzt.

Das Handwerk in der Region konnte in diesem Jahr das Ausbildungsniveau vom letzten Jahr nicht erreichen, berichtete Klaus Koralewski, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkschaft Niederrhein. Zum Stichtag 30. November wurden 1432 Lehrverträge neu abgeschlossen (nach 1635 im Vorjahr). Besonders stark von der Corona-Krise waren die Berufe Friseur/in (minus 36 Prozent) und die Fachverkäuferinnen im Lebensmittelhandwerk Bäckerei (minus 11,9 Prozent) und Fleischerei (minus 64 Prozent), die Bäckerbetriebe (minus 25 Prozent) sowie die Kaufleute für Bürokommunikation (minus 32 Prozent) betroffen.

Welche Kompetenzen fehlen?
Die Antworten überraschen

In diese Erfolgsmeldungen in Corona-Zeiten fallen dennoch auch Wermutstropfen. Und zwar ganz überraschende: „Es gibt eine Qualifikation, die bei den meitsen Jugendlichen nicht gut ausgeprägt ist“, sagt Angela Schoofs, Geschäftsführerin der Arbeitsagentur Mönchengladbach/Rhein Kreis Neuss: „die digitale Kompetenz.“ Die jungen Leute könnten zwar ganz bestimmte Dinge digital. „Aber wenn es darum geht, etwas hochzuladen, mit einer Tabelle umzugehen, ein Dokument zu schreiben, dann stellen wir fest: Das funktioniert nicht richtig.“ Rademacher-Bensing ergänzt: „Wir müssen alle lernen, wie wir Jugendliche dahinbringen, dass sie digitale Kompetenzen als etwas notwendiges ansehen. Und darunter nicht nur verstehen: Ich habe WhatsApp und ich wische was von links nach rechts.“ Ein weiteres Manko sei, dass viele Jugendliche nicht gut alleine lernen könnten und ihnen oft die Disziplin dazu fehle.

Ein weiteres Problem spricht Klaus Koralewski an: die mangelnde Konfliktfähigkeit von jungen Leuten. „Sie werden von den Elternhäusern dermaßen in Watte gepackt, dass sie bei dem kleinsten Konflikt etwa mit dem Gesellen die Brocken hinschmeißen. Da würde ich mir sehr wünschen, dass die jungen Menschen sich etwas unabhängiger vom Elternhaus bewegen und ihre Ausbildung auch durchziehen.“ Koralewski berichtet von einem Fall, den er in dieser Woche erlebt hat: Da saßen Vater und Sohn. Der Vater habe allein die Rede geführt, der Junge habe kein Wort gesagt. Am Ende habe der Sohn die Lehre abbrechen müssen, weil dem Vater diese nicht mehr gefallen habe. Koralewski: „Das treibt mich um.“

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