Wahl-Atmosphäre Viele fühlen sich als Gewinner, nur nicht alle bei den Grünen

Krefeld · Wie die Mitglieder der Parteien den turbulenten Wahlabend erlebt haben.

 Im Nordbahnhof jubelte die CDU, als sich herausstellte, dass sie die meisten Stimmen bei der Wahl für den Rat bekommen hat.

Im Nordbahnhof jubelte die CDU, als sich herausstellte, dass sie die meisten Stimmen bei der Wahl für den Rat bekommen hat.

Foto: Dirk Jochmann

Um 18.35 brandet bei der SPD, die sich zur Wahlparty in der Brauerei Gleumes getroffen hat, zum ersten Mal Beifall auf: Der erste Stimmbezirk für die Oberbürgermeisterwahl ist ausgezählt – und Amtsinhaber Frank Meyer liegt mit 50 Prozent weit vorne. Die Stimmung ist spätestens ab diesem Zeitpunkt gelöst bei den Genossen. „Ein herausragend gutes Ergebnis bei der OB-Wahl zeichnet sich ab“, hält Fraktionschef Benedikt Winzen fest.

Bei Bratwurst, Pommes und gebackenem Ziegenkäse mit Salat warten die SPD-Mitglieder auf die nach und nach reinkommenden Ergebnisse. „Ich bin schon den ganzen Tag über sehr aufgeregt“, bekennt Martin Reyer, Ratsmitglied aus Hüls. In seinem Wahlbezirk muss er sich mit Thorsten Hansen (Grüne) und Timo Kühn (CDU) streiten. „Beim letzten Mal fehlten mir 95 Stimmen“, sinniert Reyer.

Die Ergebnisse der OB-Wahl stehen aber stärker im Blickpunkt. Diese werden auf einer Großleinwand präsentiert. Um kurz vor 19 Uhr trifft Frank Meyer ein. „Es sieht gut aus“, ruft er den Parteifreunden zu, nachdem ihm jemand ein Mikrofon in die Hand gedrückt hat.

Dass die Sozialdemokraten im Landestrend verlieren könnten, damit hatte man gerechnet. Doch in Krefeld scheint es deutlich besser zu laufen. „Sicher der Meyer-Effekt“, glaubt jemand am Rande der Party. Von einem „herausragenden Vertrauensbeweis“ für seinen Chef spricht auch OB-Büroleiter Dirk Plassmann.

Erleichterung und Enttäuschung bei der CDU nah beieinander

Erleichterung und Enttäuschung liegen bei der CDU am Wahlabend nah beieinander: OB-Spitzenkandidatin Kerstin Jensen zeigt sich erleichtert, es mit weitem Abstand vor Thorsten Hansen von den Grünen auf Platz 2 geschafft zu haben. Fraktionschef Philibert Reuters ist allerdings entsetzt über das schwache Abschneiden seiner Partei bei der Ratswahl. „Ich war sicher, dass wir vor der SPD liegen und mehr als 30 Prozent holen“, sagt er gegen 19.30 Uhr. Danach dreht sich die Auszählung zugunsten der CDU. Die Partei zieht an der SPD vorbei und liegt knapp über der Marke von 30 Prozent. „Gut so, aber ich habe mir noch deutlich mehr erhofft“, so Reuters.

„Ich bin zufrieden mit meinem Ergebnis“, sagt Jensen. „In zwei Wochen gibt es eine neue Chance. Ich bin zuversichtlich, dass viele Wähler, die sich heute für Thorsten Hansen entschieden haben, mir dann ihre Stimme geben“, so die Rechtsanwältin. Die Erleichterung ist ihr anzusehen. Zu Beginn der Auszählung war die Angst , nicht in die Stichwahl zu kommen, offenkundig vorhanden. Schlimm wäre es aus ihrer Sicht auch gewesen, wenn Amtsinhaber Frank Meyer (SPD) im ersten Wahlgang über 50 Prozent gelegen hätte. Tatsächlich schneidet Meyer sogar etwas schlechter ab als in der ersten Runde 2015, als er deutlich vor dem CDU-Kandidaten Peter Vermeulen ins Ziel kam.

Laut Jensen kommt es jetzt darauf an, jene Wähler zu mobilisieren, „die zu Hause geblieben sind“. Und sie werde um jene werben, die sich nicht für sie entschieden hätten. „Ich bin sicher, sowohl grünen als auch liberalen Wählern seriöse Angebote machen zu können.“

Grüne holen im Rat
ihr Wunschergebnis

Bündnis 90/Die Grünen haben im Rat ihr Wunschergebnis geholt. „Wir wollten die doppelte Zahl der Sitze holen, das ist uns schon vor der endgültigen Auszählung bereits gelungen“, erklärt Fraktionsvorsitzende Heidi Matthias. Statt der bislang sechs Sitze waren um kurz vor 20 Uhr schon zwölf grüne Ratsleute für den neuen Rat sicher. „Ich bin überwältigt“, sagte Matthias am Rande der Wahlparty im Wahlbüro an der Evertsstraße. Während die Hochrechnung für NRW 19 Prozent vermeldete, lagen die Grünen in Krefeld bei 20,33 Prozent. Vor sechs Jahren hatten sie in Krefeld im Endergebnis 11,2 Prozent geholt.

„Ich bin froh, dass die Leute erkannt haben, dass wir uns für Klimaschutz und Verkehrswende einsetzen, ein Thema, das uns in der Zukunft weiter begleiten wird“, zieht Matthias ein politisches Fazit. Die Wahlkampfunterstützung des Bundesvorsitzenden Robert Habeck am Freitag im Stadtgarten habe noch einmal Stimmen gebracht, ist sie überzeugt. Enttäuscht sind die Grünen hingegen über das Abschneiden ihres OB-Kandidaten Thorsten Hansen, dem alle beste Chancen eingeräumt hatten, in die Stichwahl zu kommen. Denn das Frank Meyer als amtierender OB es im ersten Wahlgang schafft, die Mehrheit zu bekommen, damit hatte bei den Grünen niemand gerechnet.

„Er ist durch seine Positionen zu Wirtschaft und Digitalisierung auch für Nichtgrüne wählbar gewesen und hat einen sehr guten, engagierten und überzeugenden Wahlkampf gemacht“, bekräftigt Matthias. Hansen holte fast das selbe Ergebnis wie vor fünf Jahren.

AfD ärgert sich
über die Ausgrenzung

AfD-Spitzenmann Martin Vincentz freut sich über das „gute Abschneiden“ seiner Partei bei der Ratswahl und auch über sein eigenes Ergebnis bei der Oberbürgermeisterwahl. Er ärgert sich aber über die „Ausgrenzung“ der AfD durch die anderen Parteien. „Wir stehen für Kooperation, wir möchten in Krefeld mitgestalten.“

Den relativ hohen Stimmenanteil für seine Partei erklärt Vincentz mit der Unzufriedenheit vieler Krefelder. OB Meyer habe 2015 Aufbruch versprochen. „Davon habe zahlreiche Bürger nichts gemerkt. Es geht nicht bergauf unter Meyer.“ Die Stadt müsse mehr in die Infrastruktur investieren. Krefelds schlechte Straßen seien weit über die Stadtgrenze hinaus bekannt. In der Flüchtlingspolitik warnt Vincentz vor deutschen Alleingängen, „so schlimm die Bilder von der Insel Lesbos auch sind“. Dieses Problem sei nur europäisch zu lösen. Vincentz findet es falsch, dass sich viele deutsche Kommunen jetzt ein „Wettrennen um Flüchtlinge liefern“. Deutschland könne dieses Problem nicht alleine lösen. Dass es keine enge Abstimmung mit den anderen Ländern gebe, zeige das Versagen der europäischen Union.

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